Heute kam die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2019 raus
und zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass eines meiner Lieblingsbücher
dieses Jahres mit auf dieser Liste ist.
Der Große Garten von Lola Randl. Ich
war deshalb überrascht, weil es ein ungemein lustiges Buch ist. Bei keinem
anderen Buch in diesem Jahr habe ich so viel gelacht. Irgendwie verbinde ich
den Deutschen Buchpreis nicht mit lustigen Büchern. Ich stelle mir immer
komplizierte und sehr intellektuelle Bücher beim Buchpreis vor. Was nicht
negativ gemeint ist. Ich mag komplizierte Bücher. Deshalb wunderte es mich
beinahe selbst, dass Der Große Garten mich so fesseln konnte. Wo das in diesem
Jahr wirklich nur wenigen Büchern gelingt. So wenigen, dass ich glaube, ich befinde mich mitten in einer veritablen Lesekrise.
Vielleicht hatte es damit zu tun,
dass ich zum Zeitpunkt der Lektüre gerade selbst noch meinen Großen Garten in
der Uckermark hatte, im Begriff war, ihn zu verkaufen und dieses Buch meine
Abschiedslektüre war?
Nun muss man sagen, dass Der Große Garten auch Tiefgang hat.
Allerdings kommt er in leichtem Plauderton daher.
„Die Therapeutin sagt, das Gartenbuch sei, wie alles, was
ich mache, eine Flucht vor mir selbst. Das, was ich mit der Therapeutin mache,
nennt man Gesprächstherapie. Der Analytiker sagt, eine Gesprächstherapie werde
bei mir nichts bringen, nie und nimmer.“ So geht das im Grunde die ganze Zeit. Plaudernd werden die Beziehungen und das Innenleben und auch philosophische Fragen in einer Melange mit Pflanzenbeschreibungen, kurzen Texten zu Themen wie Obstbaumschnitt und Photosynthese zusammen gerührt und so zu einer wunderbaren Beschreibung von Leben an und für sich auf allen Ebenen.
Dazu könnte man schon mal vorab wissen, dass die
Protagonistin zur Therapeutin gewechselt hat, weil sie mit dem Analytiker Sex
hat. Während des ganzen Buches schickt er ihr immer wieder anzügliche
Nachrichten, und manchmal geht sie zu ihm und hat Sex mit ihm.
Sie hat auch einen Ehemann und Kinder. Ein Sohn ist so, dass
ich immer an die Szenen auf Kreuzberger Spielplätzen denken musste, wo irgendein Junge, der Oskar oder Gustav oder Gregor heißt und eine unglaublich laute Stimme hat, die gesamte Szene, alle anderen Kinder, die Erwachsenen und vor allen Dingen seine mit leiser Stimme verhandelnde Mutter, tyrannisiert, von niemandem zu bändigen. Die Ich
Erzählerin kann ihren Sohn auch nicht bändigen.
Sie kann sich selbst noch nicht einmal bändigen. Was ja
nicht besonders überraschend ist. Denn wer kann das schon. Wer hat sein Leben
im Griff?
Uckermark |
Sie geht mit Mann und Kindern von den komplexen Problemen in
Berlin weg und aufs Land, wo es, so der Plan, entweder keine oder aber
einfachere Probleme gibt. Das ganze Leben soll einfacher sein auf dem Land. Sie
zieht also in die vergleichsweise menschenleere Uckermark, in der Hoffnung, ihr Leben zu vereinfachen und es
in den Griff zu bekommen. Da sie ihr inneres Chaos, oder was sie dafür hält,
mit nimmt, wird das natürlich nichts. Also da ist die Affäre mit dem
Analytiker, zu dem sie ab und zu nach Berlin rein fährt, dann gibt es noch einen
Liebhaber direkt im Dorf, in dem Fachwerkhaus hinter der Kirche und eben den
Ehemann. Der kommt einem, und auch ihr, sehr weise vor. So, als habe er bereits
einige Leben hinter sich, während sie noch ziemlich wild und unerfahren lebt. Das
alles ist nicht gerade unkompliziert. Macht beim Lesen aber riesigen Spaß.
In diesem Dorf wohnt auch die Mutter der Ich Erzählerin, die
Spezialistin in Sachen Garten ist und dem Plan der Tochter, ein Gartenbuch zu
schreiben, eher skeptisch gegenüber steht. Und es gibt Nachbarn. Über die
erzählt uns Lola Randl genauso ausführlich wie über die Pflanzen und Tiere.
Denn eigentlich soll es ja ein Gartenbuch werden. Weil aber alles mit allem
zusammenhängt und man sein Innenleben überall mit hin nimmt, wird dieses Buch
ein Buch über den großen Garten, das Dorf, den Liebhaber, den Ehemann, den
Analytiker, die Therapeutin, die nie eine Familienaufstellung mit ihr machen
kann, weil sie zu jeder Sitzung zu spät kommt.
Irgendwann kommen dann auch noch Japaner und eröffnen in
Randls Haus ein Restaurant. Also wird es auch ein Buch über sie und die ganzen Berliner, die wegen der japanischen Köstlichkeiten in die Uckermark pilgern.
Ich habe das Buch verschlungen und finde es extrem
lesenswert und auch liebenswert. Dass es auch auf die Shortlist kommt, also,
nein das glaube ich nicht. Aber freuen würde es mich schon.
Ich bin in diesem Jahr, das nur am Rande, richtig richtig gut, was
die Longlist angeht. Ich habe nämlich zwei Bücher gelesen (eben Randl und
Herkunft, welches auch wunderbar ist und es sicher auf die Shortlist schafft). Und
dann lese ich gerade Miroloi. Auch wunderbar. Ich glaube, auch Karen Köhler
wird es auf die Shortlist schaffen.
Aber Der große Garten, ich sage Euch, lest es! Ist ne Empfehlung!!
(c) Susanne Becker
Kommentare
Kommentar veröffentlichen