Selten habe ich das genauere Porträt einer Frau gelesen, die
in ihrer Zeit Freiheit und Selbstverwirklichung als Mutter und Ehefrau nicht
finden kann.
Wie Zeile für Zeile eine Resignation, ein sich ergeben in
die Umstände auch in die Leserin Einzug halten. Weil Ingmar Bergman ein Meister
des psychologischen Erzählens ist.
Das weiß man durch seine Filme. Dass er auch
derart schreiben konnte, ich wusste es nicht. Karl Ove Knausgård
erwähnte es. Ich glaube, es war in seinem Buch Im Frühling. Da erzählte er von
Ingmar Bergman und diesem Buch. Seitdem bin ich ein wenig auf der Suche
nach Bergman. Habe das Doppelporträt von ihm und Liv Ullmann gelesen, das ihre
gemeinsame Tochter Linn Ullmann geschrieben hat. Die Unruhigen.
Ich habe mir Filme angeschaut und nun eben PrivateConfessions gelesen, das es, soweit ich informiert bin, leider nicht auf
Deutsch gibt.
Es ist die Geschichte von Anna, erzählt in fünf Gesprächen,
die sie mit verschiedenen Menschen führt: ihrem Beichtvater Jacob, ihrer
Mutter, ihrer Freundin Märta, ihrem Ehemann Henrik, ihrem Liebhaber Tomas. Dann
gibt es noch einen Epilog, der auch Prolog sein könnte. Er liegt zeitlich vor
allen Gesprächen. Aber er steht am Ende des Buches.
Die Gespräche kreisen immer um das gleiche Thema: Annas
Affäre mit Tomas, einem jungen Mann, der Priester werden will. Auch Annas
Ehemann ist Priester, ihre Freundin Märta eine Art Nonne. Es ist eine fromme
Welt, eine strenge Welt. Aber dennoch möchte Anna schon als junges Mädchen einen
Beruf lernen und in die Welt hinaus. Als sie sich in Henrik verliebt, will ihre
Mutter sie warnen, ihn zu heiraten. Denn sie sieht, dass Anna mit ihm (oder
vielleicht auch generell in einer Beziehung, in einer Familie) nicht glücklich
werden wird. Anna ist stur. Sie hat immer ihren eigenen Kopf. Vor allen Dingen
der Mutter gegenüber, die stark ist und sie gerne unabhängig sähe, möchte sie
diesen Kopf durchsetzen. Im Verlauf der Gespräche verändert sich das Bild, das
man als Leserin von Anna und der Ehe, sowie der Affäre hat, immer wieder. Es
jagt einen durch ein emotionales Kraftfeld, das einem direkt unter die Haut zu
kriechen scheint.
Das Buch schwankt zwischen der Hoffnung, Anna könne durch
eine Affäre, durch einen besser zu ihr passenden Mann ihr Glück finden, bis zu
der Erkenntnis, dass dies vielleicht eher nicht der Fall sein wird. Die Gründe
hierfür sind vielschichtig und bis ans Ende nicht eindeutig. Es macht einem
klar, wie viele Perspektiven jedes Leben, jeder Moment im Leben hat.
Man wünscht ihr die Freiheit. Man denkt an so viele Frauen,
vor allem in der Generation der eigenen Mutter, die diese Freiheit niemals
kannten.
Ich dachte oft an Wunschloses Unglück. Das Porträt seiner
Mutter, das Peter Handke dort zeichnet. Auch fiel mir immer wieder ein Satz von
Anselm Kiefer ein, den ich vor kurzem gelesen hatte: „Die Tatsache, dass man
nur kurz auf dieser Welt ist und auch nicht das bekommt, was man möchte. Das
ist ein memento mori.“
Ein berührendes Buch. Es wurde 1996 von Liv Ullmann verfilmt
und ist der dritte Teil einer Trilogie, die Bergman über das Leben seiner
Eltern schrieb.
Für mich war dies eine überraschende Leseerfahrung, die mich
sehr befriedigt aber auch emotional durchgerüttelt zurück ließ. Ein kurzes
Büchlein von 133 Seiten, aber in seiner Intensität ein Meisterwerk.
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