Heute morgen postete ich auf meiner Facebookseite dieses Gedicht von Louise Erdrich Advice to myself das für mich - und wie oft kommt das schon vor - genau das richtige Gedicht für den heutigen Tag war. (Es war übrigens das Gedicht des Tages beim Writer's Almanac, herausgegeben von Garrison Keillor, den ich nur jedem sehr empfehlen kann, der sich für Amerika, für Literatur oder für beides zusammen interessiert. Man kann auf der Website einen Newsletter abonnieren.)
Gestern war ich in München, bei dem Schreibseminar, ich erwähnte es bereits an anderer Stelle. Die Kommentare der anderen zu meinem Text nahm ich alle als Kritik wahr, und ich kam deprimiert zurück. Na gut, ich gebe es zu: Ich hatte überschwengliche Begeisterung, wenn nicht erwartet, so doch erhofft. Weil ich versuche, im Schreiben alles zu geben. Ich wünschte mir, dass dies gesehen und gewürdigt wird. Da ist man natürlich verletzlich. Eine Freundin, die im gleichen Kurs ist, die auch schreibt, die auch kritisiert wurde, nahm die Kritik, die ich hörte, als Lob für mich wahr. Das beweist, dass die Welt immer die ist, die man durch den eigenen Filter wahrnimmt, vielleicht weil man sie gerade genauso braucht, wie man sie sieht, um etwas zu verstehen.
Es war für mich fruchtbar, die Kritik als Kritik wahrzunehmen, weil ich so verletzt wurde, unbeabsichtigt, dass ich mich öffnete. Großes Lob hätte sicher zu einem Verschluss hinter selbstzufriedener Fassade führen können. (Und natürlich hätte es dazu geführt, dass ich mich wahnsinnig toll gefühlt und gefunden hätte, ich hätte Energie wie Superwoman gehabt und würde ohne jede Andeutung einer Depression durch den ganzen verdammten langen Winter kommen. Schwamm drüber. Ich will mich da jetzt nicht reinsteigern, obwohl ich es SPIELEND könnte.)
Das Lob hätte meinem Schreiben, ultimativ meinem Leben (über das hinaus, was ich oben erwähnte, Winterdepression vermieden etc.) vermutlich nichts genützt.
Die Kritik war übrigens nicht wirklich verletztend. Martin Hielscher und André Hille machen so ein Seminar ganz fantastisch und arbeiten sehr gezielt in jedem Text die Punkte heraus, an denen es sich lohnt, weiter zu machen.
Dies sei nur erwähnt, damit nachher nicht jemand glaubt, man sollte in der Textmanufaktur lieber keine Kurse machen, weil man am Boden zerstört wieder nachhause kommt. Ist nicht wahr.
Die Kritik löste bei mir einen Prozess des Nachdenkens darüber aus, warum ich eigentlich schreibe. Ich meine, im Grunde schreiben wirklich schon genug andere Menschen, es gibt keinen Grund, der Welt noch mehr Text hinzuzufügen. Entweder ist es eine Notwendigkeit, wenn auch nur für mich selbst, oder ich verbringe jetzt den Rest meines Lebens damit, Geschirr abzuwaschen und die Notizen anderer mit Büroklammern zusammen zu fassen und alphabetisch zu ordnen, ich achte darauf, dass meine Familie jeden Morgen ihr Müsli isst und dass jeder die richtige Zahnbürste und das richtige Handtuch benutzt, dass die Schuhe als Paare geordnet beisammen stehen und nichts im Kühlschrank verschimmelt. Mit diesen Aufgaben wäre ich beschäftigt, das kann mir jeder glauben.
Als ich das Gedicht Advice to myself las, da fiel es mir aber wieder ein, dass ich Geschirrspülen nicht mag und wenn ich anfange, darauf zu achten, dass die Mitglieder der Chaoskommune, in die sich meine Familie verwandelt hat, das richtige Handtuch und auf keinen Fall meins benutzen, dann bin ich bald reif für Heileurythmie.
Dieses Gedicht, das am frühen Morgen auf meinem Bildschirm erschien, war eine vollkommeneAntwort auf eine Frage, die mein Unterbewusstes schon die ganze Zugfahrt von München nach Berlin gestern gestellt hatte, ohne dass ich es hörte, denn ich musste mich erstmal sehr ausgiebig elend fühlen: Warum schreibe ich? Man könnte auch fragen: Warum lebe ich?
Ich wünsche mir, dass die Worte zu dem passen, was für mich das authentische Erlebnis meiner Existenz ist. Ich bin bereit, dafür sehr tief zu tauchen und mich unter die Oberfläche meiner Existenz zu begeben. Manchmal kommt es mir vor, dass ich zuviel Wasser geschluckt habe, dass ich meine Sauerstoffflasche früher hätte auffüllen sollen. Wenn ich den Worten hinterher tauche, um jede Barriere zwischen mir und dem Erlebten zu beseitigen, dann kann es geschehen, dass ich vergesse, wer ich bin, aber niemals, warum ich bin. Ich schreibe, weil ich die Worte, die ich finde, verschenken möchte, damit sie die Barrieren sichtbar machen, die andere zwischen sich und ihrer Existenz errichten. Wenn sie es lesen, können sie ein wenig Wasser schlucken. Meine Worte schreibe ich zuerst für mich selbst, weil ich es liebe, tief zu tauchen, und als zweites immer für die anderen, weil ich hoffe, dass sie ihren Kühlschrank verschimmeln lassen und es vorziehen, mit den Toten zu sprechen und neue Formen von Leben zu lieben. Ich hoffe, dass sie ihre Wahrheit suchen und ihr mit all ihrem Herzen folgen, sobald sie sie gefunden haben. Mit diesem Herzen, das möglicherweise seltener gereinigt wird als der Boden unter unserem Sofa.
Es ist ein wunderbares Gedicht und es hat mir heute den ganzen Tag über Gesellschaft geleistet wie eine kleine, ganz persönliche Sonne. Es hat dazu beigetragen, dass ich mir irgendwann am Nachmittag, als die Sonne, die echte, längst vom Himmel verschwunden war, den Ratschlag gab, für mich den Winter heute doch noch nicht beginnen zu lassen.
Übrigens schreibt Louise Erdrich nicht nur tolle Gedichte. Sie schreibt wunderbare Romane, die ich nur alle wärmstens empfehlen kann. Garrison Keillor schreibt übrigens auch Bücher, die dann besonders Spaß machen, wenn man Amerika mag und noch besser kennen lernen möchte. (Home on the Prarie z.B. oder Lake Wobegon)
Gestern war ich in München, bei dem Schreibseminar, ich erwähnte es bereits an anderer Stelle. Die Kommentare der anderen zu meinem Text nahm ich alle als Kritik wahr, und ich kam deprimiert zurück. Na gut, ich gebe es zu: Ich hatte überschwengliche Begeisterung, wenn nicht erwartet, so doch erhofft. Weil ich versuche, im Schreiben alles zu geben. Ich wünschte mir, dass dies gesehen und gewürdigt wird. Da ist man natürlich verletzlich. Eine Freundin, die im gleichen Kurs ist, die auch schreibt, die auch kritisiert wurde, nahm die Kritik, die ich hörte, als Lob für mich wahr. Das beweist, dass die Welt immer die ist, die man durch den eigenen Filter wahrnimmt, vielleicht weil man sie gerade genauso braucht, wie man sie sieht, um etwas zu verstehen.
Es war für mich fruchtbar, die Kritik als Kritik wahrzunehmen, weil ich so verletzt wurde, unbeabsichtigt, dass ich mich öffnete. Großes Lob hätte sicher zu einem Verschluss hinter selbstzufriedener Fassade führen können. (Und natürlich hätte es dazu geführt, dass ich mich wahnsinnig toll gefühlt und gefunden hätte, ich hätte Energie wie Superwoman gehabt und würde ohne jede Andeutung einer Depression durch den ganzen verdammten langen Winter kommen. Schwamm drüber. Ich will mich da jetzt nicht reinsteigern, obwohl ich es SPIELEND könnte.)
Das Lob hätte meinem Schreiben, ultimativ meinem Leben (über das hinaus, was ich oben erwähnte, Winterdepression vermieden etc.) vermutlich nichts genützt.
Die Kritik war übrigens nicht wirklich verletztend. Martin Hielscher und André Hille machen so ein Seminar ganz fantastisch und arbeiten sehr gezielt in jedem Text die Punkte heraus, an denen es sich lohnt, weiter zu machen.
Dies sei nur erwähnt, damit nachher nicht jemand glaubt, man sollte in der Textmanufaktur lieber keine Kurse machen, weil man am Boden zerstört wieder nachhause kommt. Ist nicht wahr.
Die Kritik löste bei mir einen Prozess des Nachdenkens darüber aus, warum ich eigentlich schreibe. Ich meine, im Grunde schreiben wirklich schon genug andere Menschen, es gibt keinen Grund, der Welt noch mehr Text hinzuzufügen. Entweder ist es eine Notwendigkeit, wenn auch nur für mich selbst, oder ich verbringe jetzt den Rest meines Lebens damit, Geschirr abzuwaschen und die Notizen anderer mit Büroklammern zusammen zu fassen und alphabetisch zu ordnen, ich achte darauf, dass meine Familie jeden Morgen ihr Müsli isst und dass jeder die richtige Zahnbürste und das richtige Handtuch benutzt, dass die Schuhe als Paare geordnet beisammen stehen und nichts im Kühlschrank verschimmelt. Mit diesen Aufgaben wäre ich beschäftigt, das kann mir jeder glauben.
Als ich das Gedicht Advice to myself las, da fiel es mir aber wieder ein, dass ich Geschirrspülen nicht mag und wenn ich anfange, darauf zu achten, dass die Mitglieder der Chaoskommune, in die sich meine Familie verwandelt hat, das richtige Handtuch und auf keinen Fall meins benutzen, dann bin ich bald reif für Heileurythmie.
Dieses Gedicht, das am frühen Morgen auf meinem Bildschirm erschien, war eine vollkommeneAntwort auf eine Frage, die mein Unterbewusstes schon die ganze Zugfahrt von München nach Berlin gestern gestellt hatte, ohne dass ich es hörte, denn ich musste mich erstmal sehr ausgiebig elend fühlen: Warum schreibe ich? Man könnte auch fragen: Warum lebe ich?
Ich wünsche mir, dass die Worte zu dem passen, was für mich das authentische Erlebnis meiner Existenz ist. Ich bin bereit, dafür sehr tief zu tauchen und mich unter die Oberfläche meiner Existenz zu begeben. Manchmal kommt es mir vor, dass ich zuviel Wasser geschluckt habe, dass ich meine Sauerstoffflasche früher hätte auffüllen sollen. Wenn ich den Worten hinterher tauche, um jede Barriere zwischen mir und dem Erlebten zu beseitigen, dann kann es geschehen, dass ich vergesse, wer ich bin, aber niemals, warum ich bin. Ich schreibe, weil ich die Worte, die ich finde, verschenken möchte, damit sie die Barrieren sichtbar machen, die andere zwischen sich und ihrer Existenz errichten. Wenn sie es lesen, können sie ein wenig Wasser schlucken. Meine Worte schreibe ich zuerst für mich selbst, weil ich es liebe, tief zu tauchen, und als zweites immer für die anderen, weil ich hoffe, dass sie ihren Kühlschrank verschimmeln lassen und es vorziehen, mit den Toten zu sprechen und neue Formen von Leben zu lieben. Ich hoffe, dass sie ihre Wahrheit suchen und ihr mit all ihrem Herzen folgen, sobald sie sie gefunden haben. Mit diesem Herzen, das möglicherweise seltener gereinigt wird als der Boden unter unserem Sofa.
Es ist ein wunderbares Gedicht und es hat mir heute den ganzen Tag über Gesellschaft geleistet wie eine kleine, ganz persönliche Sonne. Es hat dazu beigetragen, dass ich mir irgendwann am Nachmittag, als die Sonne, die echte, längst vom Himmel verschwunden war, den Ratschlag gab, für mich den Winter heute doch noch nicht beginnen zu lassen.
Übrigens schreibt Louise Erdrich nicht nur tolle Gedichte. Sie schreibt wunderbare Romane, die ich nur alle wärmstens empfehlen kann. Garrison Keillor schreibt übrigens auch Bücher, die dann besonders Spaß machen, wenn man Amerika mag und noch besser kennen lernen möchte. (Home on the Prarie z.B. oder Lake Wobegon)
bitte korrekt: Heuleurhythmie :-) oder auch Heulrhytmie...
AntwortenLöschenDanke für den Text und das ich jetzt endlich weiß wie es in München auch noch war...
Heulrythmisch
Löschenalles einfach ganz gelassen im Heulrythmus machen...
Löschenübrigens habe ich fünf Anläufe gebraucht um diesen Kommentar zu veröffentlichen weil dieses doofe Captcha Tool mich immer überfordert...
AntwortenLöschenSorry, das hab ich nu davon, dass ich meinen Blog ausgerechnet bei den Gugels gestartet habe. Kein Mensch (außer Dir natürlich, SCHATZ) wirds je kommentieren.
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