Mittwochabend war ich auf einer Lesung mit Sasa Stanisic. Er las aus seinem großartigen Buch Vor dem Fest, das ich noch nicht gelesen habe. Dennoch weiß ich schon, dass ich es großartig finde (ich habe sowas im Gefühl bei manchen Büchern, da sehe ich das Cover, lese den Klappentext und weiß, dass ich sie lieben werde) Nach heute Abend fühle ich mich bestärkt im Glauben an meine Instinktsicherheit und will es um so unbedingter lesen. Das werde ich auch tun, sobald meine Freundin, die nach eigener Aussage dreiviertel durch ist, ganz damit durch ist. (Anmerkung für meine Freundin: jetzt lies bitte mal schneller!)
Sasa Stanisic ist ein souveräner Vorleser, der seinen Text offensichtlich selbst immer noch mag, der seine Charaktere liebt und jeden einzelnen mit einer unglaublichen Zartheit und Genauigkeit zu Wort und Tat kommen lässt. (Unter den Charakteren befindet sich auch eine Füchsin!) Dabei ist er im genau richtigen Maße humorvoll und trocken, man schlägt sich nicht laut grölend auf die Schenkel vor Lachen, aber kommt irgendwie nie so ganz aus dem Grinsen heraus. Er beschreibt Situationen, die es ihm leicht machen würden, die Menschen bloß zu stellen, sich auf ihre Kosten lustig und wichtig zu machen, das geschieht aber nicht ein einziges Mal. Dieses Urteil trifft zumindest auf alle Stellen zu, die er gelesen hat, und er hat lange gelesen, viele Stellen, was mich nicht zwangsläufig bei jedem Autor freut, bei ihm allerdings sehr!
Er hat keinerlei Scheu, direkt mit dem Publikum zu kommunizieren. Durchaus stellte ich Qualitäten eines Standupcomediens oder Alleinunterhalters bei ihm fest.
Er las unter anderem eine Stelle vor, in der es um Ditsche, seine Eierbox, seine Hühner und seine Eier ging. Sie werden wenige Zeilen später verstehen, warum ich das jetzt hier erwähnen muss.
Als Fragen gestellt werden durften, meldete sich das Publikum rege (es war brechend voll in der Buchhandlung am Moritzplatz und einige saßen auch außerhalb des Ladens auf den Stufen von Modulor) (Kommentar Stanisic : "Mensch, das ist ja hier wie bei einer Lesung im Rheinland!" Ich komme aus dem Rheinland, weshalb ich wusste (ahnte? hoffte?), dass das ein Kompliment war und sich auf die Lebhaftigkeit bezog, die nicht unbedingt ein Merkmal der Berliner ist, zumal derer, die sich für Kultur interessieren und auf Lesungen gehen, sorry! Es wurden aber weder Kamelle geworfen noch fiel an irgendeiner Stelle Konfetti von der Decke aufs Publikum herab) und stellte typische Fragen wie : "Wie hat Fontane Dein Werk beeinflusst?" Antwort in etwa: "Sehr, ich hätte es nie gewagt, über die Uckermark zu schreiben und ihn vorher nicht gelesen zu haben. Da seine Landschaftsbeschreibungen so großartig sind, habe ich in meinem Buch keine einzige gewagt - allerdings hat er mich auch immer gelangweilt und ich habe das Lesen seiner Bücher nicht durchgehalten." (Geht mir genauso!)
Frage: "Wie hast du dich in die Psyche eines weiblichen Fuchses hinein versetzt?"
Antwort in etwa: "Ich war sehr eng mit einer Fuchsforscherin (ich: was, so was gibts? ich wieder: ja klar es gibt alles!) befreundet, von der habe ich sehr viel gelernt über das typische Verhalten von Füchsinnen in verschiedensten Situationen."
Und dann kam meine persönliche Lieblingsfrage mit direktem Bezug zur oben erwähnten Ditsche-Eier-Hühner-Stelle von den Modulorstufen herunter ins Auditorium geweht: "Es gibt ja Hühner und ich nehme an, die Eier wurden von Hühnern gelegt, nicht von Hähnen (Sasa Stanisic: richtig), nun bin ich mir nicht sicher, ob Du diese Stelle gelesen hast und ich habe sie bloß überhört oder ob da wirklich eine Lücke in Deinem Text ist, und zwar: geht es mir um die Farbe der Eier, und zwar ich komme ja aus Berlin und da haben die Eier Farben, also klar, es gibt Taubeneier, die sind klein und weiß (Stanisic: richtig, klar) (das war so langsam der Punkt, wo ich ahnte, dass es sich bei diesem Frager um einen der sehr typischen Berliner Irren handelte, deren Irresein sich einem erst so nach und nach, dann aber glasklar erschließt, und ich wurde etwas nervös, weil ich Angst hatte, Stanisic könnte aus der Fassung geraten oder vielmehr, ich dachte wenn ich er wäre, wäre das jetzt der Punkt, an dem ich aus der Fassung geraten würde) also Taubeneier, da haben wir ja ne Menge von in Berlin (ich ????????) aber Hühnereier is ne andere Sache, da kommt es auf die Farbe an und die ist abhängig vom Huhn (Stanisic nickt die ganze Zeit, lacht und wirkt generell, als würde er absolut verstehen, worum es dem Frager geht). Also, mein Punkt ist (an welchem Punkt ein großer Teil des Publikums anfing, leicht genervt zu stöhnen) mein Punkt ist: waren die Eier jetzt rot, blau, gelb, grün, braun, lila (ich ?????????????????) Stanisic: "Verstehe, sie waren grün, hellgrün." Der Mann: "Wiesengrün?" Stanisic: "Heller." Der Mann: "Lindgrün?" Stanisic schüttelt heftig mit dem Kopf: "Neinnein, noch heller!" Das war der Moment in dem ich kapierte, das Stanisic eventuell ein Genie sein könnte. Der Mann kapierte das offensichtlich auch, war zufrieden mit der Antwort und mischte sich kaum noch ins Gespräch ein. Alle atmeten erleichtert durch. Situation souverän auf eine höhere Ebene katapultiet!
Dass ich heimlich für Tilman Rammstedt schwärme, ist ja ein offenes Geheimnis und kommt hier nur deshalb nochmal zur Sprache, weil er natürlich mit Sasa Stanisic befreundet ist und nicht unerheblich beteiligt war an der Entstehung des Buches. Die beiden haben sich regelmäßig zum Austausch über ihre Schreibprojekte getroffen und Rammstedt hat zu Stanisic gesagt, dass er einen Roman unmöglich mit so vielen Charakteren und dann in der ersten Person Plural schreiben kann, er solle Kurzgeschichten daraus machen. Daraufhin ist Stanisic, der ja auch einen Stolz hat, nachhause gegangen und hat den Roman so richtig begonnen. Der Beweggrund war: Dem Tilman zeig ichs! Ich finde das einen sehr plausiblen Grund, einen Roman zu schreiben und zu beenden. Ich kann mir ohne Mühe die beiden am Küchentisch vorstellen, während Ditsche, Uli, Lada, Bruce Willis und andere Charaktere rein und raus rennen.(Seitenbemerkung: Die Beschreibung von Ulis Garage ist zum Brüllen, lasst sie Euch nicht entgehen!)
Ziemlich zum Ende hin fragte ihn dann noch eine Frau nach seinen Schreibgewohnheiten. Er erzählte, dass er oft in der Bibliothek der Medizinischen Fakultät in Hamburg (es kann auch die Bibliothek eines Krankenhauses gewesen sein, hier möchte ich mich nicht festlegen) schreibe, weil dort eine so unglaubliche Konzentration herrsche. Die Mediziner müssten ja Gott sei Dank sehr viel lernen. Damit er nicht auffalle, hole er sich auch immer ein paar Bücher aus den Regalen zu seinem Platz und gebe vor, ebenfalls Medizin zu büffeln. Darin sei er offensichtlich so überzeugend gewesen, dass irgendwann eine Frau auf ihn zukam und sagte: "Ich bin aufs Steissbein gefallen. Können Sie mir sagen, in welchem Buch ich dazu was finde, ich will nicht zum Arzt." Darauf Stanisic: "Ich bin Dermatologe, mit Steissbeinen kenn ich mich gar nicht aus."
Also ein Abend, der in meine Sammlung wirklich schöner Momente 2014 mühelos Einzug halten wird. Ich habe mich sehr amüsiert, ich war irgendwie im siebten Himmel der Literaturbegeisterten und hätte noch viele Stunden zuhören können. Eigentlich hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn er uns das ganze Buch vorgelesen hätte.
(Schlussbemerkung: Dieses Protokoll der Lesung ist komplett unvollständig und ganz aus dem Gedächtnis. Er hat tausend andere Dinge erzählt, (der Mann von den Modulorstufen hat nochmal was gesagt, es gab massig andere Fragen und alles war genau so witzig, klug und unterhaltsam wie das von mir protokollierte, ich erinnere mich nur nicht mehr genau daran.)
P.S. Und wenn mir bitte jemand erklärt, wo bei Blogger die Sonderzeichen sind, dann schreibe ich seinen Namen beim nächsten Mal auch so, wie er gedacht ist und entschuldige mich in aller Form für meine Schludrigkeit bei der Schreibweise!)
© Susanne Becker
Sasa Stanisic ist ein souveräner Vorleser, der seinen Text offensichtlich selbst immer noch mag, der seine Charaktere liebt und jeden einzelnen mit einer unglaublichen Zartheit und Genauigkeit zu Wort und Tat kommen lässt. (Unter den Charakteren befindet sich auch eine Füchsin!) Dabei ist er im genau richtigen Maße humorvoll und trocken, man schlägt sich nicht laut grölend auf die Schenkel vor Lachen, aber kommt irgendwie nie so ganz aus dem Grinsen heraus. Er beschreibt Situationen, die es ihm leicht machen würden, die Menschen bloß zu stellen, sich auf ihre Kosten lustig und wichtig zu machen, das geschieht aber nicht ein einziges Mal. Dieses Urteil trifft zumindest auf alle Stellen zu, die er gelesen hat, und er hat lange gelesen, viele Stellen, was mich nicht zwangsläufig bei jedem Autor freut, bei ihm allerdings sehr!
Er hat keinerlei Scheu, direkt mit dem Publikum zu kommunizieren. Durchaus stellte ich Qualitäten eines Standupcomediens oder Alleinunterhalters bei ihm fest.
Er las unter anderem eine Stelle vor, in der es um Ditsche, seine Eierbox, seine Hühner und seine Eier ging. Sie werden wenige Zeilen später verstehen, warum ich das jetzt hier erwähnen muss.
Als Fragen gestellt werden durften, meldete sich das Publikum rege (es war brechend voll in der Buchhandlung am Moritzplatz und einige saßen auch außerhalb des Ladens auf den Stufen von Modulor) (Kommentar Stanisic : "Mensch, das ist ja hier wie bei einer Lesung im Rheinland!" Ich komme aus dem Rheinland, weshalb ich wusste (ahnte? hoffte?), dass das ein Kompliment war und sich auf die Lebhaftigkeit bezog, die nicht unbedingt ein Merkmal der Berliner ist, zumal derer, die sich für Kultur interessieren und auf Lesungen gehen, sorry! Es wurden aber weder Kamelle geworfen noch fiel an irgendeiner Stelle Konfetti von der Decke aufs Publikum herab) und stellte typische Fragen wie : "Wie hat Fontane Dein Werk beeinflusst?" Antwort in etwa: "Sehr, ich hätte es nie gewagt, über die Uckermark zu schreiben und ihn vorher nicht gelesen zu haben. Da seine Landschaftsbeschreibungen so großartig sind, habe ich in meinem Buch keine einzige gewagt - allerdings hat er mich auch immer gelangweilt und ich habe das Lesen seiner Bücher nicht durchgehalten." (Geht mir genauso!)
Frage: "Wie hast du dich in die Psyche eines weiblichen Fuchses hinein versetzt?"
Antwort in etwa: "Ich war sehr eng mit einer Fuchsforscherin (ich: was, so was gibts? ich wieder: ja klar es gibt alles!) befreundet, von der habe ich sehr viel gelernt über das typische Verhalten von Füchsinnen in verschiedensten Situationen."
Und dann kam meine persönliche Lieblingsfrage mit direktem Bezug zur oben erwähnten Ditsche-Eier-Hühner-Stelle von den Modulorstufen herunter ins Auditorium geweht: "Es gibt ja Hühner und ich nehme an, die Eier wurden von Hühnern gelegt, nicht von Hähnen (Sasa Stanisic: richtig), nun bin ich mir nicht sicher, ob Du diese Stelle gelesen hast und ich habe sie bloß überhört oder ob da wirklich eine Lücke in Deinem Text ist, und zwar: geht es mir um die Farbe der Eier, und zwar ich komme ja aus Berlin und da haben die Eier Farben, also klar, es gibt Taubeneier, die sind klein und weiß (Stanisic: richtig, klar) (das war so langsam der Punkt, wo ich ahnte, dass es sich bei diesem Frager um einen der sehr typischen Berliner Irren handelte, deren Irresein sich einem erst so nach und nach, dann aber glasklar erschließt, und ich wurde etwas nervös, weil ich Angst hatte, Stanisic könnte aus der Fassung geraten oder vielmehr, ich dachte wenn ich er wäre, wäre das jetzt der Punkt, an dem ich aus der Fassung geraten würde) also Taubeneier, da haben wir ja ne Menge von in Berlin (ich ????????) aber Hühnereier is ne andere Sache, da kommt es auf die Farbe an und die ist abhängig vom Huhn (Stanisic nickt die ganze Zeit, lacht und wirkt generell, als würde er absolut verstehen, worum es dem Frager geht). Also, mein Punkt ist (an welchem Punkt ein großer Teil des Publikums anfing, leicht genervt zu stöhnen) mein Punkt ist: waren die Eier jetzt rot, blau, gelb, grün, braun, lila (ich ?????????????????) Stanisic: "Verstehe, sie waren grün, hellgrün." Der Mann: "Wiesengrün?" Stanisic: "Heller." Der Mann: "Lindgrün?" Stanisic schüttelt heftig mit dem Kopf: "Neinnein, noch heller!" Das war der Moment in dem ich kapierte, das Stanisic eventuell ein Genie sein könnte. Der Mann kapierte das offensichtlich auch, war zufrieden mit der Antwort und mischte sich kaum noch ins Gespräch ein. Alle atmeten erleichtert durch. Situation souverän auf eine höhere Ebene katapultiet!
Dass ich heimlich für Tilman Rammstedt schwärme, ist ja ein offenes Geheimnis und kommt hier nur deshalb nochmal zur Sprache, weil er natürlich mit Sasa Stanisic befreundet ist und nicht unerheblich beteiligt war an der Entstehung des Buches. Die beiden haben sich regelmäßig zum Austausch über ihre Schreibprojekte getroffen und Rammstedt hat zu Stanisic gesagt, dass er einen Roman unmöglich mit so vielen Charakteren und dann in der ersten Person Plural schreiben kann, er solle Kurzgeschichten daraus machen. Daraufhin ist Stanisic, der ja auch einen Stolz hat, nachhause gegangen und hat den Roman so richtig begonnen. Der Beweggrund war: Dem Tilman zeig ichs! Ich finde das einen sehr plausiblen Grund, einen Roman zu schreiben und zu beenden. Ich kann mir ohne Mühe die beiden am Küchentisch vorstellen, während Ditsche, Uli, Lada, Bruce Willis und andere Charaktere rein und raus rennen.(Seitenbemerkung: Die Beschreibung von Ulis Garage ist zum Brüllen, lasst sie Euch nicht entgehen!)
Ziemlich zum Ende hin fragte ihn dann noch eine Frau nach seinen Schreibgewohnheiten. Er erzählte, dass er oft in der Bibliothek der Medizinischen Fakultät in Hamburg (es kann auch die Bibliothek eines Krankenhauses gewesen sein, hier möchte ich mich nicht festlegen) schreibe, weil dort eine so unglaubliche Konzentration herrsche. Die Mediziner müssten ja Gott sei Dank sehr viel lernen. Damit er nicht auffalle, hole er sich auch immer ein paar Bücher aus den Regalen zu seinem Platz und gebe vor, ebenfalls Medizin zu büffeln. Darin sei er offensichtlich so überzeugend gewesen, dass irgendwann eine Frau auf ihn zukam und sagte: "Ich bin aufs Steissbein gefallen. Können Sie mir sagen, in welchem Buch ich dazu was finde, ich will nicht zum Arzt." Darauf Stanisic: "Ich bin Dermatologe, mit Steissbeinen kenn ich mich gar nicht aus."
Also ein Abend, der in meine Sammlung wirklich schöner Momente 2014 mühelos Einzug halten wird. Ich habe mich sehr amüsiert, ich war irgendwie im siebten Himmel der Literaturbegeisterten und hätte noch viele Stunden zuhören können. Eigentlich hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn er uns das ganze Buch vorgelesen hätte.
(Schlussbemerkung: Dieses Protokoll der Lesung ist komplett unvollständig und ganz aus dem Gedächtnis. Er hat tausend andere Dinge erzählt, (der Mann von den Modulorstufen hat nochmal was gesagt, es gab massig andere Fragen und alles war genau so witzig, klug und unterhaltsam wie das von mir protokollierte, ich erinnere mich nur nicht mehr genau daran.)
P.S. Und wenn mir bitte jemand erklärt, wo bei Blogger die Sonderzeichen sind, dann schreibe ich seinen Namen beim nächsten Mal auch so, wie er gedacht ist und entschuldige mich in aller Form für meine Schludrigkeit bei der Schreibweise!)
© Susanne Becker
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