Direkt zum Hauptbereich

Georgia O'Keeffe auf Ghost Ranch - Ein Photo-Essay von John Loengard



Ein Bildband, der mich schon seit Jahren begleitet, den ich immer wieder anschaue, ist der Photo-Essay über die schon recht alte Georgia O'Keeffe und ihr Leben in New Mexico Georgia O'Keeffe auf Ghost Ranch. Angesichts der Tatsache, dass ich im kommenden Jahr ganz in die Nähe der Ghost Ranch gehen werde, um drei Wochen in der Abgeschiedenheit New Mexicos zu schreiben, habe ich das Buch heute wieder hervor geholt. Die Landschaft New Mexicos fasziniert mich, seitdem ich vor vielen Jahren dort, auf Georgia O'Keeffes Ghost Ranch, einen Schreibworkshop mit gemacht habe. Die Faszination ist nicht rational erklärbar, sondern einfach eine Tatsache, die sich mir von der ersten Begegnung an durch ein klares Gefühl aufdrängte. Eine Sicherheit: dies ist einer meiner Seelenorte, wo man sich sofort selbst begegnet und alles glasklar ist. Wäre ich nicht in Berlin gelandet, ich denke, ich wäre dorthin gezogen, unvermeidlich.

Georgia O'Keeffe war eine der großen amerikanischen Malerinnen (sehr empfehle ich die Biographie von Roxana Robinson Georgia O'Keeffe A Life), die hier nicht so bekannt ist. Wer mehr über ihre Arbeit erfahren möchte, dem empfehle ich dieses Buch: Georgia O'Keeffe und dieses Art & Life of Georgia O'Keeffe, sowie
Sie wurde 99 Jahre alt und verbrachte die letzten 37 Jahre ihres Lebens, nach dem Tode ihres Mannes, des berühmten Photographen Alfred Stieglitz, in der Zurückgezogenheit der Landschaft, nach der sie sich schon immer gesehnt hatte, als sie noch mit ihrem Mann an der Ostküste, hauptsächlich in New York, lebte.

John Loengard war jung, als er 1966 den Auftrag bekam, die große amerikanische Künstlerin in der Wüste zu besuchen und anlässlich ihres 80. Geburtstages zu porträtieren. Im Text nimmt man die Faszination und auch die Irritation des Jungen mit der Alten wahr. Die Bilder aber sprechen eine deutliche Sprache

Morgenspaziergang

auf ihrem Bett sitzend

mit einem Stein

Ghost Ranch

Abendspaziergang
Heraus gekommen sind Bilder, die mich, jedes einzelne von ihnen, in meditativer Stille stundenlang hinschauen und nicht-denken lassen. Die Ernsthaftigkeit und Tiefe der Malerin, der Landschaft, ihres Lebens, sie spricht aus jedem der Bilder. Sie kommt einem vor wie eine buddhistische Nonne, die Knochen sammelte, Steine, Klappern von Klapperstangen, alles, was die Wüste ihr schenkte auf ihren ausgedehnten Spaziergängen. Das Wesentliche, so reduziert und klar, spricht aus jedem Bild, aber auch aus dem Gesicht und der Haltung dieser Künstlerin.
Die Gesamtansicht ihres Lebens sah natürlich auch anders aus, hatte viele Facetten, nicht nur die reduzierte Seite dieser Photos. Aus verschiedenen Quellen, nicht zuletzt von Loengard selbst, weiß man, dass O'Keeffe viele Besucher hatte, sehr sozial war und vielleicht auch ein kleines bisschen eitel. Es heißt, sie habe sich gerne mit jungen Männern umgeben. (Ehrlich gesagt: warum auch nicht?)
Die Bilder zeigen all dies nicht. In ihnen wird ein Tagesablauf auf Ghost Ranch dokumentiert, der an das Leben einer Eremitin denken lässt. Morgenspaziergang, Lesen, Gartenarbeit, Hundepflege,
Abendspaziergang. Es sind faszinierende, für mich unglaublich inspirierende Bilder.
Ich bekam das Buch vor vielen Jahren von einer Freundin, die mir damals eine Widmung hinein schrieb: Ich sehe Dich an ihrer Stelle. Diese Freundin ist übrigens selbst eine herausragende Fotografin, Regula Franz.

Wenn ich das Buch durch blättere, freue ich mich auf New Mexico, ich muss aber auch an die beschaulichen Tage im Garten denken, und dass die Essenz dieser Bilder nicht an einen Ort gebunden ist, sondern an ein inneres Stillsein, welches überall möglich ist. Das Abfallen aller Äußerlichkeiten, aller Oberflächlichkeit, das Sein in einer Landschaft, in der Natur, wo Steine und Knochen eine Fülle haben, wo Spaziergänge im Morgengrauen und der Abenddämmerung wie selbstverständlich dazu gehören und es kein Internet gibt. Es ist nicht der Ort, den ich ersehne, es ist die Seinsweise. Und sie wird in dem Bildband wunderbar dokumentiert.

© Susanne Becker

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

100 bemerkenswerte Bücher - Die New York Times Liste 2013

Die Zeit der Buchlisten ist wieder angebrochen und ich bin wirklich froh darüber, weil, wenn ich die mittlerweile 45 Bücher gelesen habe, die sich um mein Bett herum und in meinem Flur stapeln, Hallo?, dann weiß ich echt nicht, was ich als nächstes lesen soll. Also ist es gut, sich zu informieren und vorzubereiten. Außerdem sind die Bücher nicht die gleichen Bücher, die ich im letzten Jahr hier  erwähnt hatte. Manche sind die gleichen, aber zehn davon habe ich gelesen, ich habe auch andere gelesen (da fällt mir ein, dass ich in den nächsten Tagen, wenn ich dazu komme, ja mal eine Liste der Bücher erstellen könnte, die ich 2013 gelesen habe, man kann ja mal angeben, das tun andere auch, manche richtig oft, ständig, so dass es unangenehm wird und wenn es bei mir irgendwann so ist, möchte ich nicht, dass Ihr es mir sagt, o.k.?),  und natürlich sind neue hinzugekommen. Ich habe Freunde, die mir Bücher unaufgefordert schicken, schenken oder leihen. Ich habe Freunde, die mir Bücher aufgeford

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer &q

Writing at the Fundacion Valparaiso in Mojacar, Spain

„…and you too have come into the world to do this, to go easy, to be filled with light, and to shine.“ Mary Oliver I am home from my first writing residency with other artists. In Herekeke , three years ago, I was alone with Miss Lilly and my endlessly talkative mind. There were also the mesa, the sunsets, the New Mexico sky, the silence and wonderful Peggy Chan, who came by once a day. She offers this perfect place for artists, and I will be forever grateful to her. The conversations we had, resonate until today within me. It was the most fantastic time, I was given there, and the more my time in Spain approached, I pondered second thoughts: Should I go? Could I have a time like in Herekeke somewhere else, with other people? It seemed unlikely. When I left the airport in Almeria with my rental car, I was stunned to find, that the andalusian landscape is so much like New Mexico. Even better, because, it has an ocean too. I drove to Mojacar and to the FundacionValparaiso