In der letzten Zeit sehe ich wieder häufiger Filme. Manche
davon sogar im Kino. Dabei möchte ich Euch an dieser Stelle noch einmal
ermutigen, in die Programmkinos zu gehen, nicht in die großen Cineplexe. In den
Programmkinos sitzen die Kinomacher mit Herz und die Filme, die sie zeigen,
sind so wunderbar.
In Berlin gibt es ja Gott sei Dank eine große Auswahl unabhängiger Kinos.
Mein
Lieblingskino ist derzeit das Wolf in Neukölln.
Den Film, über den ich Euch erzählen möchte, gab es dort
leider nicht. Also habe ich ihn im Delphi Lux angeschaut. Immerhin ein Kino aus
der Yorck – Gruppe, die mich bereits mein ganzes Berliner Kinoleben lang, 21
Jahre immerhin, begleitet.
Es geht um einen Film, der für meine Wahrnehmung viel zu
wenig Beachtung gefunden hat. Ein Film mit herausragenden
SchauspielerInnenleistungen, einer tollen Geschichte und vielschichtigen
Aussagen. Ich schreibe von Es gilt das gesprochene Wort von Ilker Catak.
Die Hamburger Pilotin Marion erhält eine Brustkrebsdiagnose.
Daraufhin bucht ihr verheirateter Liebhaber einen Kurzurlaub, 5 Sterne, in
Marmaris in der Türkei. Ihr Kommentar dazu: „Syrien und NordKorea waren schon
ausgebucht, oder was?“
Sie ist offensichtlich eine toughe Frau, der niemand etwas vormacht. Sie
ist auch allein. Das Verhältnis zu ihrem Liebhaber bleibt emotional seltsam kühl, wirkt eher wie ein manipulatives Spiel. Die Brustkrebsdiagnose, in deren Folge sie lange nicht als
Pilotin arbeiten darf, nimmt ihr in vieler Hinsicht ihr bisheriges Leben.
Am Strand in Marmaris kommt der junge Kurde Baran, der unter
anderem davon lebt, dass er ältere Touristinnen sexuell befriedigt, auf Marion
zu.
Obwohl sie zunächst keinerlei Interesse an den Avancen des
Gigolos hat, entwickelt sich zwischen den beiden sehr schnell etwas, das zart
und fast unverständlich erscheint.
Baran kommt nach Hamburg. Die beiden gehen eine Scheinehe
ein, Marion besorgt ihm eine Wohnung, einen Job. Denn Baran träumt davon, in
Deutschland zu leben. Selbstbestimmt und frei.
Die ganze Sache ist also eine Zweckgemeinschaft.
Wobei Marions Motive offen bleiben. Sie werden an keiner Stelle ausgesprochen.
Emotional konnte man sich aber viele Erklärungen vorstellen. Keine einzige
hätte ein gängiges Klischee erfüllt. Die beiden nähern sich dennoch immer mehr an. Sie
gehen ins Konzert, unterhalten sich, essen zusammen. Marion, die emotional sehr verbarrikadiert wirkt, öffnet sich immer mehr. Denn Baran schafft es, sie zu überraschen. Irgendwann sind sie
tatsächlich ein Liebespaar.
Aber aufgrund von Missverständnissen bricht die
Nähe ganz schneller wieder ab. Das Ende bleibt offen.
Was klingt wie eine klischeehafte Geschichte, ist in
Wahrheit eine der schönsten Liebesgeschichten, die ich in einem Film je gesehen
habe.
Sie zeigt das Wunder der Liebe und ihre unsägliche
Fragilität. Sie zeigt die Nähe und wie schnell man wieder Abstand zwischen sich
und das Geliebte legt, aus Angst, aus Unsicherheit, aus Stolz.
Das Ungesagte, alles im Schweigen, in den Blicken, im
Abwenden und Zuwenden, ist so wichtig in diesem Film. Wichtiger vielleicht als
das, was gesagt wird.
Der Film zeigt aber auch die Unterschiede in unserer Welt:
Anatolien und Hamburg. Unterschiedlicher könnten die Voraussetzungen für ein
Leben auf diesem Planeten kaum sein. Wie du versuchst, wenn du unglaublich klug,
aber in Anatolien als Kurde geboren bist, dir auf diesem globalisierten
Planeten das Leben zu erschleichen, das dir im Grunde zusteht, und das du mit
Links weg werfen könntest, wärest du nur in Hamburg mit einem deutschen Pass geboren.
Nur dann hättest du den Luxus, über die Sinnlosigkeit, die Leere deines Lebens
zu philosophieren.
Der Film zeigt, wie wichtig der Pass ist und wie viele
Menschen einfach untergehen, weil sie im Besitz des falschen Passes sind.
Last but not least möchte ich die schauspielerischen
Leistungen von Anne Ratte-Polle, Godehard Giese und Ogulcan Arman Uslu
erwähnen, der dafür im Sommer beim Filmfestival in München den Förderpreis Neues Deutsches Kino in der Sparte Schauspiel gewonnen hat. Herausragend!
Seht ihn Euch an, wenn ihr noch eine Gelegenheit habt.
Für mich schon jetzt einer meiner absoluten Lieblingsfilme
des Jahres. Ach, was sage ich: meines Lebens!
Und weil ich Euch noch einmal an meine beiden anderen
Lieblingsliebesfilme erinnern möchte, hier die Trailer
Körper und Seele
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenLustige Frage. Aber ja, klar! Hoffnung gibt es immer, finde ich.
Löschen