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Knut Ødegård - Die Zeit ist gekommen


„In der endgültigen Analyse
sind wir alle Sternenstaub. Nichts
zu knipsen. „

Die Gedichte des norwegischen Schriftstellers Knut Ødegård Die Zeit ist gekommen, erzählen so präzise ganze Geschichten und verschweigen doch so viel. Manchmal genügt ein einziges Wort, um der Leserin eine ganze Welt vor Augen zu zaubern. In anderen verschweigt er nichts und auch das zielt direkt ins Mark. Die Gedichte schenken der Leserin keine Gnade. Sie stoßen unerbittlich auf einen Zustand der Welt, der weh tut.
Vom Altern handeln sie, und von den Erinnerungen an ein langes Leben. Wie traurig es ist, dass das Leben vergeht. Das so schöne Leben. Das so harte Leben, in dem Menschen einander undenkbares zufügen. Wie traurig auch, dass alles sich verändert und selten, scheint es, zum Guten sich wendet. Ødegårds Lyrik berührt einen ganz direkt. So klar, wie es meine Großmutter tat, als sie mich auf ihrem Sterbebett anschaute, direkt und unverwandt und sagte: „Es ist so merkwürdig. Eben noch war ich im Saal unten im Dorf und lernte deinen Großvater kennen und jetzt soll ich schon sterben?“
Ein Menschenleben ist so kurz wie ein Wimpernschlag. Das ist traurig. Das ist aber auch so wunderschön, dass es einen bis ins tiefste Innere berührt.
Ødegård schafft es, die Schönheit, und den Schmerz eines Menschenlebens in seinen mal kurzen, mal langen Erzählgedichten ganz leicht hervor zu locken und einem verständlich zu machen.
Seine Sprache ist unverschnörkelt und klar, die Bilder, die er nutzt, sind oft voller Mut. Die Gedichte handeln vom Alter, vom Krieg und den Erinnerungen an ihn, von heute, wo wir unter Umständen dabei sind, alle menschlichen Werte in den Graben zu treten. Es gibt ganz aktuelle Gedicht, die von Aleppo handeln, von der verseuchten Natur und dem, was kommen könnte, wenn wir nicht aufpassen aufeinander. Sein Schmerz über all das ist nicht zu überlesen.

Dieser Gedichtband erschien 2017 in Norwegen und ist sein bisher letzter. Übersetzt wurde er von Åse Birkenheier und erschienen ist er auf Deutsch im Elif Verlag, dem ich sehr herzlich für das Rezensionsexemplar danke.

(c) Susanne Becker



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