.... darüber fehlen mir alle Worte. Ich spreche mit Menschen darüber, mit Freunden oder meiner Tochter, aber sprechen ist von meiner Seite aus das falsche Wort. Denn wenn ich überhaupt etwas sage, dann eher so: "Ich kann dazu nichts sagen. Es steht mir nicht zu. Ich merke, dass ich absolut nichts weiß, also wäre es idiotisch, mit einer Meinung herum zu wedeln. Ich halte den Mund und wenn ich ihn öffne, dann höchstens, um Fragen zu stellen. Ich erkenne plötzlich, dass und wie auch ich Teil dieses Problems bin, das Rassismus heißt und das ist eine tiefgehende Erkenntnis und ich weiß nicht, was sich in ihrem weiteren Verlauf alles für mich ändern wird, aber ich bin ganz sicher bereit dazu."
Ich merke, wie ich einfach nur lernen möchte, über Rassismus, über mich und warum wir alle jemanden brauchen, auf den wir herab schauen können, dieses ganze System, in dem wir leben, braucht immer Leute, die weniger wert sind. Damit sind wir alle groß geworden und wir sind froh, wenn wir es nicht selbst sind, auf denen herum getrampelt wird. Da atmet man immer gleich erleichtert auf und redet sich ein, dass die, die verdroschen werden, auf gar keinen Fall vollkommen unschuldig daran sein können. Das ist in den USA so, das ist hier so. Warum ist das so? Welchen Anteil habe ich daran? Das sind so Fragen, die in meinem Kopf herum schwirren und ich weiß die Antwort nicht. Noch nicht.
Lernen, lesen, Filme schauen, schreiben, mich selbst befragen. Also hauptsächlich schreibe ich in mein Tagebuch. Alle diese Gedanken, alles, was mich bewegt, ist so roh und unausgegoren. Vielleicht schreibe ich irgendwann darüber hier einen Text, also, wenn ich Antworten gefunden habe. Aber soweit ist es nicht und deshalb möchte ich mit Euch ein paar Bücher teilen, die mir schon einiges beigebracht haben und meine Suche mit Nahrung versorgen. Sie sind ein Anfang:
Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie (meine Besprechung von 2013)
Open City von Teju Cole (meine Besprechung von 2016)
Becoming von Michelle Obama
I know why the caged bird sings von Maya Angelou, generell alles von Maya Angelou
The Underground Railroad von Colson Whitehead
The Nickelboys von Colson Whitehead
James Baldwin - alle Bücher!
The Sellout von Paul Beatty
Girl, Woman, Other von Bernardine Evaristo
Es gibt unzählige weitere Bücher, unendlich viele, wenn jemand von euch mir weitere Titel empfehlen kann, freue ich mich sehr über Tipps.
Außerdem habe ich hier noch einen Text über die Schriftstellerin Lorraine Hansberry, eine Freundin von James Baldwin und Nina Simone, den ich wunderschön finde und in dem weitere Links zu finden sind.
Filme möchte ich Euch zwei empfehlen, beide haben mich auf unterschiedliche Weise viel gelehrt, und sie waren gut.
I am not your Negro nach einem Text von James Baldwin, dieser Film ist immer noch so unerträglich aktuell, man denkt, in Bezug auf Rassismus hat sich einfach nichts bewegt, und so ist es ja auch. Im Gegenteil scheint es Rückschritte gegeben zu haben. Aber vielleicht auch nur gemessen an der Illusion, wir hätten Fortschritte gemacht, irgendwann einmal in den vergangenen 400 oder so Jahren, wirkt dieser absolute Stillstand manchmal wie ein Rückschritt. Dieser Film ist wie ein Lehrstück, unerträglich in seiner Wahrheit und Offenheit. Er läuft im übrigen auch gerade auf Arte.
Dort gibt es ebenfalls einen Schwerpunkt: Black lives matter wo es weitere Dokus und Filme gibt, unter anderem über den Footballspieler Colin Kaepernick.
Becoming über Michelle Obama, auf Netflix. Schon bei den ersten Szenen kamen mir die Tränen, weil mir wieder einfiel, was wir einmal hatten: eine schwarze First Lady in den USA. Irre! Wann war das? Vor 500 Jahren?
Zum Abschluss noch ein Text aus der tageszeitung von heute, 9.6.2020, und das Verhalten der Polizei gegenüber schwarzen Demonstranten z.B. in Berlin, anlässlich der Demo #blacklivesmatter am vergangenen Samstag auf dem Alexanderplatz.
14.06.2020: Drei Ergänzungen zu diesem Text a) das Buch Stamped from the beginning von Ibram X. Kendi (es wurde mir von einem Leser des Blogs empfohlen und ich habe es gerade bestellt)
b) eine Spotify Playlist meiner Tochter, Reden von Malcolm X, Toni Morrison, ein Gespräch zwischen Malcolm X und James Baldwin c) Aperture:Vision & Justice, die Ausgabe einer Zeitung zum Thema "Die Rolle der Photographie im Erleben von Afro-Amerikanern", wahnsinnig tolle Photos, und ebensolche Texte
(c) Susanne Becker
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