Diese Geschichte spielt in Norwegen und handelt von einem Bootsunglück, von welchem der Überlebende einer Gruppe von Bergwanderern berichtet. Er und seine Brüder waren mit ihrem Boot in einen unendlich tiefen Strudel, den Maelström, geraten. Dieser Strudel war so tief, es gab Gerüchte, dass er durch den Ozean auf die andere Seite der Erde führe. Alles, was von ihm verschlungen wurde, wurde zerstört.
Der eine der Brüder überlebte das Unglück im Grunde deshalb, weil er keinen Widerstand leistete. Er ergab sich dem Maelström, geschmeidig, passte sich seiner Form an, ließ sich in die Tiefe ziehen und wurde vom Strudel praktisch äußerlich unversehrt, im Inneren aber auf traumatische und vollkommene Weise verändert wieder ausgespuckt.
Ein Bekannter von mir, der in Granada lebende Künstler Roberto Urbano hat sich von dieser Geschichte zu einer Ausstellung inspirieren lassen. Schon irgendwann im Frühsommer schickte er mir das Konzept. Man muss dazu wissen, dass Urbano mit teilweise gigantischen, teilweise filigranen Gebilden, häufig aus Metall, Innenwelten des Menschen, des Menschseins darstellt, oder auch philosophische Gedanken. Seine Ausstellungen erzählen immer, so finde ich, eine Geschichte, eine oft archaische Geschichte. Es geht in dieser Ausstellung darum, das Scheitern wie ein kreatives Werkzeug zu verstehen und zu nutzen. Wer bin ich, wenn ich ganz scheitere? Die Verzweiflung, das Dunkel des Scheiterns hebelt unsere Vernunft aus und lässt uns, wenn wir uns öffnen können, Situationen mit einem tieferen Verständnis beurteilen.
Die Ausstellung wurde im November in Granada mitten im spanischen Lockdown eröffnet und erst seit einer Woche dürfen Zuschauer zumindest am Vormittag, einzeln, mit Maske, zurück in die Museen. Was bedeutet es für die Künstler, wenn sie möglicherweise jahrelang an einem Werk, an einer Ausstellung gearbeitet haben und dann kann kaum jemand sie sehen? Das stelle ich mir sehr schwer vor.
Vor ein paar Tagen schenkte mir der Künstler einen Rundgang durch die Ausstellung, per Video. Ich wollte gerne sehen, wie es wäre, hindurch zu gehen, weil ich bislang nur die einzelnen Stücke als Fotos gesehen hatte. Ich habe euch hier den ersten Teil kopiert. Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich empfand die ganzen Stücke so passend, gerade für jetzt. Die einzelnen Kunstwerke, die Atmosphäre, das Thema, der Titel, alles scheint mir wie eine Metapher für das, was gerade geschieht. Er erzählt uns auf eine Weise, wie wir hindurch kommen. Als befände sich die Menschheit in einem Maelström und wir kommen hindurch, wenn wir uns dem Strudel ergeben. Vielleicht geht es euch auch so. Und wenn jemand aus Granada den Blog liest, dann geht in die Ausstellung!! Maelström ist im Palacio Condes de Gabia zu sehen.
(c) Roberto Urbano |
Und sonst heute so? Spaziergang, diesmal allein. Lediglich traf ich zufällig eine Bekannte, sie ist Mutter einer Fußballfreundin meiner Tochter. Es wurde mir durch diese Begegnung einmal mehr bewusst, wie schlimm ich es finde, dass die Sportvereine der Kinder nicht trainieren dürfen. Dabei haben sie so unglaublich gut bewiesen, wie man mit Abstand und Gruppenteilungen wunderbar draußen trainieren könnte. Dass die Bundesliga lustig spielt und sich umarmt und kuschelt, während die Kinder es nicht dürfen, das stößt mir manchmal sauer auf. Ich vermute, es hat mit Geld zu tun und auch damit, dass man mit den Bundesligaspielen einen großen Teil der Bevölkerung hin und wieder ruhig stellen kann. Opium fürs Volk, sozusagen. Ist aber nur ne Vermutung. Aber ich möchte mich gar nicht beschweren. Denn auch ich frohlocke gerade bei dem Blick auf die Tabelle, wo Leverkusen an Bayern München vorbei gezogen ist. Denn ich weiß, dass mein Chef mir morgen unterstellen wird, ich käme aus niederträchtigen Beweggründen aus Leverkusen, hätte im Grunde schon bei meiner Geburt geplant, ihn zu quälen (ja, er ist Bayern Fan und ja, er ist diesbezüglich etwas obsessiv!) und natürlich werde ich genau deshalb circa 25 Mal wie nebenbei darauf hinweisen, dass ich aus Leverkusen komme, dass ich diese Weihnachten leider nicht nach Leverkusen fahren kann, wie schön der Rhein in Leverkusen ist, so halt. Wenn das langweilig wird, werde ich erwähnen, dass ich Union Fan bin (außer wenn sie gegen Hertha spielen, dann bin ich Hertha Fan). Das Unentschieden hatte er mit Sicherheit noch nicht verwunden, als Leverkusen vorbeizog. Prima! Morgen auf der Arbeit wird es lustig!
Ich höre momentan sehr viel Einaudi. Eigentlich war er mir häufig zu kitschig. Es gibt aber eine Platte, die ich unglaublich liebe und seit Monaten höre. Also, eigentlich sind es sieben Platten, unter dem Titel "Seven Days Walking" werden je elf oder zwölf Stücke auf den Platten variiert, sehr ruhig, fast meditativ, transportiert diese Musik für mich eine unglaubliche Mischung aus Konzentration und Emotion, dem Gefühl von Gehen und der Natur und es ist für mich eine perfekte Musik, immerhin sechs Stunden insgesamt, die mir hilft, durch diese Zeit zu gehen. Abgesehen davon gehe ich sowieso sehr viel spazieren. Das habe ich immer schon getan. Hier ist nur mal ein Beispiel. Wenn es Euch gefällt, auf Youtube kann man die ganzen sechs Stunden hören. Dieses Stück heißt Gravity Day 1
Gravity, Schwerkraft, auch so ein irres Konzept, denke ich gerade. Gute Nacht!
Passt auf euch auf, bleibt gesund und haltet Abstand.
💚
(c) Susanne Becker
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