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Corona Tagebuch (1)




14. März
Heute fühlt es sich noch an wie ein normaler Samstag. Außer dass es bei Rewe schon gegen 12 kein Obst, kein Gemüse, kein Toilettenpapier mehr gab. Überhaupt gibt es in den normalen Supermärkten schon seit fast 2 Wochen kaum noch Toilettenpapier. Ich habe aber dann heraus gefunden, dass es in den Bioläden problemlos welches zu kaufen gibt. Menschen, die Hamsterkäufe machen, machen diese nicht in Bioläden, scheint es.
Die Menschen kaufen ein, als würde es ab Montag keine offenen Geschäfte mehr geben. 
Ein Spaziergang im Wald. Die Vogelstimmen und die Sonne, das berauschende Grün des Bärlauchs überall am Boden. Es hat mich absolut glücklich gemacht. Natur ist Medizin. 
Ideen, was ich in den kommenden Wochen tun kann: mit den Mädchen einen Tag einfach so an die Ostsee fahren, solange wir uns noch frei bewegen dürfen; jeden Tag einen Spaziergang im Wald machen; Yoga; meditieren; meinen SuB ablesen; Ich habe vermutlich genug Bücher für circa zwei Jahre. Filme anschauen und auch Dokumentationen; endlich nochmal bei Arte stöbern; den Balkon auf den Frühling vorbereiten und säubern; die ganze Wohnung entrümpeln und säubern, soweit das in meiner Macht liegt, Spanisch intensiver lernen; auch meine Zeichen und Malstudien fortsetzen; und natürlich schreiben, schreiben, schreiben. Zeugnis ablegen, und wenn nur für mich selbst, von dieser absolut verrückten Zeit.
Während ich im Wald war, hörte ich jemanden laut sprechen. Er erklärte am Telefon jemandem, wie man den Coronavirus besiegen könne. Er trug eine rote Daunenjacke. Er lief auf einem kleinen Pfad an der Eichenwiese auf und ab. Er schien fest entschlossen.
Ich gehe kaum auf Facebook, faste es ja immerhin und das ist sehr gut! Nur manchmal schaue ich ganz kurz nach, ob ich etwas Wichtiges versäume. Ich versäume niemals etwas Wichtiges auf Facebook. Dort geschieht nichts Wichtiges. Nichts. Außer dass eine alte Bekannte so eine Art Verschwörungstheorie postet, nach der die Maßnahmen gegen das Virus vollkommen übertrieben sind, zumal der Virus im Grunde gar nicht so schlimm sei. Die Menschen, die ihr enthusiastisch antworteten, waren der Meinung, dass es eine Art Verschwörung sei. Ich habe Facebook schnell wieder geschlossen, da ich merkte, wie meine Laune sofort schlechter wurde.
Menschen glauben, was sie glauben möchten. Oder vielmehr, was ihr Ego glauben möchte. Man hat ja seine Gedanken doch viel weniger unter Kontrolle, als man meint. Es wäre also diese auferlegte Stille eine gar nicht so schlechte Gelegenheit, sich mal seinen Glaubenssätzen und seinem Denken mit großer Aufmerksamkeit zu widmen, um heraus zu finden, was man so denkt.
Mein Ego und ich sehen es so: Ist es denn wirklich so schwierig zu verstehen, dass es einzig und allein darum geht, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem nicht kollabiert? Dass es eine solidarische und soziale Frage ist, ob man gedankenlos rumläuft und so tut, als wäre man unbesiegbar? Dass es um diejenigen geht, die den Virus nicht so locker wegstecken würden und die möglicherweise so viele werden, dass sie keinen Platz mehr in einem Krankenhaus bekommen können? Dass es mit anderen Worten derzeit sozial ist, nicht allzu sozial zu sein?
Sizilien, vor ca. 1 Monat
Ich habe Freunde und Verwandte, die in Krankenhäusern arbeiten und ich bekomme mit, wie die organisieren und Angst haben vor dem Kollaps. Dass es ihnen gehen könnte, wie den Ärzten und Schwestern in Italien.
Denen übrigens bei einem Flashmob in Italien heute aus den Fenstern und von den Balkonen Ovationen dargebracht wurden. Das mag ich so und auch den Hashtag #andratuttobene
Ich wünsche mir das für Deutschland, für die ganze Welt: Zusammenhalt, Verständnis, soziales Verhalten, dass wir alle füreinander die Verantwortung übernehmen und uns erwachsen und klug verhalten. Je schneller ist diese Krise überstanden. Aber mein Glauben an die Klugheit der Menschen ist durch die letzten Jahre sehr angeknackst und wenn ich Dinge lese, wie eben das auf Facebook, und ich werde das jetzt konsequent weiter fasten, weil es nichts bringt, wenn ich diese Theorien lese, dann weiß ich es nämlich noch nicht so genau, ob wir das schaffen. Ich wünsche es mir nur sehnlichst. Bleibt gesund! 


(c) Susanne Becker

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