Direkt zum Hauptbereich

Corona Tagebuch (12)

"You shall know the truth, and the truth shall make you odd."

Dieses Zitat von Flannery O'Connor, die heute Geburtstag hat, knüpft gut an das an, was ich gestern geschrieben habe. Deshalb steht es hier gleich zu Anfang.
Flannery O'Connor wäre 95 Jahre alt geworden. Ihr Buch Keiner Menschenseele kann man noch trauen klingt wie etwas, das man jetzt eventuell lesen, oder auch gerade nicht lesen sollte. Je nachdem, wie man drauf ist. Hier ein toller Artikel darüber von 2018, Deutschlandfunk. Es ist im Arche Literaturverlag erschienen.

Es gibt eine Website, die heißt The Delhi Walla. Eigentlich ist sie wie eine Enzyklopädie von New Delhi. Allerdings hat der Herausgeber jetzt alle, die möchten, aufgerufen, einen Text und ein Selfie zu ihm zu schicken. Der Beginn des Textes soll lauten: I close my eyes in my self isolation from Corona and I see....

Dies ist, was ich geschrieben habe:

I close my eyes in my self isolation of Corona, and I see a guy, who is wearing a black tutu. He scares me. Because he screams and he wants to attack somebody, anybody, for fighting the panic, this situation creates in him. His body is too small to contain his fear. On the almost empty street, he runs as fast as lightning and tries to catch the car in front of him. All the while screaming bloody hell.

I close my eyes and see my fingertips touching the L the O the V the E and it is like an empty hollow universe, as long as people do not understand to stay away from each other and what it means to others, if they do.

The streets are not empty.
But they are too empty for the guy in the black tutu.
He does not find the distraction from himself, he needs so desperately, so he looses his mind.

Denn ich muss immer noch an den Menschen von gestern denken, den mit dem schwarzen Tutu.

Ansonsten, was war heute sonst so? Ich wasche mir meine Hände so häufig mit Seife, dass sie mittlerweile aussehen wie die Hände einer 80jährigen und sie fangen an, rissig zu werden.

Ich war wieder im Bioladen meines Vertrauens. Ein Schild: Bitte immer nur 5 Kunden gleichzeitig. Es war eine Kundin drin, allerdings 5 Leute, die im Bioladen arbeiten. In jedem Gang stand einer und räumte irgendwas hin oder her. Es war relativ schwierig, Abstand zu halten. Aber es ging, wenn man nicht akribisch auf 2 Metern bestand. Als das Telefon klingelte, ging niemand der fünf ran. Irgendwie waren alle zu beschäftigt mit was wichtigem. Regale einräumen, umräumen, abstauben. Einer stand sogar an der Kasse. Er trug eine 1a Gesichtsmaske mit Filter. Es hat mich irgendwie gefreut, dass sie sich noch genauso verhalten wie vor Corona. #Lieblingsladen #BerlinerCharme

Die Freundin der Nachbarin, die unter mir wohnt, verließ gegen 11 Uhr am hellichten Morgen die Wohnung mit einem Kuchen und zig Luftballons, auf denen Happy Birthday stand. Sie kämpfte mit den Luftballons und dem Türschloss und kam mir dabei sehr nah. Vor der Tür standen zwei ihrer Freundinnen und warteten auf sie. Auch sie standen sehr nah an der Tür.
Ich fühlte mich kurz wie ein Blockwart und wollte ihnen erklären, dass sie 1. Abstand halten sollten von mir und sich 2. nicht zu dritt treffen können und überhaupt, "feiert ihr jetzt etwa irgendwo eine Geburtstagsparty? das geht gar nicht, das wisst ihr, oder?"

Gott sei Dank habe ich mich zusammen gerissen und die Klappe gehalten. Herrjeh, noch keine Woche Ausgangsbeschränkungen und ich mutiere schon zum Blockwart.
Demnächst liege ich mit dem Fernglas im Fenster.
Wie meine Großmutter. Sie stand immer hinter der Gardine und teilte uns mit, wer vorbei ging, was er trug, mit wem er sprach, wie er aussah, gerne auch mit Fragen wie: Was macht der denn um die Uhrzeit mit der Tasche? War der etwa schon wieder in Köln? Der fährt aber oft nach Köln! Der war doch erst am Mittwoch in Köln.
weil heute nix war, ein Foto von letztens, blühende Bäume in Treptow
Sie dachte, man sähe sie nicht, aber weil sie die Gardine immer so ein wenig nach unten zog, sah man sie sehr wohl und sehr deutlich.

Genau so werde ich werden, wenn die Coronasache noch lange anhält.
Verdammt!
Aber wisst Ihr, Euch kann ich es einfach sagen, denn, siehe oben: dies ist hier ein Raum für die Wahrheit und die Wahrheit lässt einen manchmal ganz schön sonderbar erscheinen.

Heute habe ich ansonsten nicht viel gemacht: Homeoffice, Drosten Podcast gehört (der mich unglaublich beruhigt hat, Deutschland hat die Sache gar nicht so schlecht im Griff, tolle Solidarität, wenig Todesfälle im Vergleich zu anderen, bisher, immer vorsichtig bleiben, der Zeitpunkt für Euphorie ist noch nicht erreicht, noch lange nicht), gekocht, geduscht. Gleich seh ich mir noch einen Film an und das wars für heute.
Und Ihr so?

Bleibt gesund! Bleibt zuhause! Bleibt gut gelaunt Ragazzi und Companeros! #tuttoandràbene

(c) Susanne Becker





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

100 bemerkenswerte Bücher - Die New York Times Liste 2013

Die Zeit der Buchlisten ist wieder angebrochen und ich bin wirklich froh darüber, weil, wenn ich die mittlerweile 45 Bücher gelesen habe, die sich um mein Bett herum und in meinem Flur stapeln, Hallo?, dann weiß ich echt nicht, was ich als nächstes lesen soll. Also ist es gut, sich zu informieren und vorzubereiten. Außerdem sind die Bücher nicht die gleichen Bücher, die ich im letzten Jahr hier  erwähnt hatte. Manche sind die gleichen, aber zehn davon habe ich gelesen, ich habe auch andere gelesen (da fällt mir ein, dass ich in den nächsten Tagen, wenn ich dazu komme, ja mal eine Liste der Bücher erstellen könnte, die ich 2013 gelesen habe, man kann ja mal angeben, das tun andere auch, manche richtig oft, ständig, so dass es unangenehm wird und wenn es bei mir irgendwann so ist, möchte ich nicht, dass Ihr es mir sagt, o.k.?),  und natürlich sind neue hinzugekommen. Ich habe Freunde, die mir Bücher unaufgefordert schicken, schenken oder leihen. Ich habe Freunde, die mir Bü...

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer ...

Gedanken zu dem Film Corsage von Marie Kreutzer mit Vicky Krieps

  When she was home, she was a swan When she was out, she was a tiger. aus dem Song: She was von Camille   (s.u.) Ich kenne so viele Frauen, die sich ein Leben lang nicht finden, die gar nicht dazu kommen, nach sich zu suchen, die sich verlieren in den Rollen, die die Welt ihnen abverlangt.  Es gibt so viele Orte, an denen Frauen nicht den Schimmer einer Wahl haben, zu entscheiden, wie sie leben, wer sie sein möchten. Diese Orte werden mehr. Orte, an denen Frauen einmal ein wenig freier waren, gehen uns wieder verloren. Die meisten Frauen leben gefährlich. Gefährlicher als Soldaten in Kriegen.  Aber dennoch hatte ich kein Mitleid mit der Kaiserin, den ganzen Film über nicht ein einziges Mal, weil sie eigentlich nicht als sympathische Person gezeigt wurde. Was ich gut fand. Denn welche Frau kann sich etwas davon kaufen, dass sie bemitleidet wird? Elisabeth ist in diesem Film selbstzentriert, rücksichtslos, narzisstisch. Besessen von ihrem Körper, seinem Gew...