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Corona Tagebuch (28)

28 Tage. Puh. Vier Wochen.
Eigentlich war mir schon beim ersten Corona Tagebuch klar, dass dies ein Marathon werden würde. Aber manche Zahlen beeindrucken mehr als andere.
Ich könnte langsam mal anfangen, meine Steuern zu machen.
Heute rief mein früherer Gartennachbar Horst mich an. Das war wie Gedankenübertragung, denn seit gestern sitzt mir die Erinnerung an meinen Garten, an meine Hütte, an den See dort, wie im Körper fest. Ich erinnere, wie mein Körper sich dort fühlte: im kalten Wasser, in der Sonne, die nackten Füsse im Gras, der Blick, der bis ans Ende eines unendlichen Horizonts schweifen durfte, die Geräusche der Nacht, die Nachtigall, das Glitzern der Sterne am Nachthimmel, wie sich jede Faser in mir komplett entspannte, sobald ich auf der Wiese lag und die Wolken über mir sah und die Insekten um mich herum hörte. Ein Fühlen, ein Tasten, ein Hören, ein Schmecken, ein Sehen.... Jede Erinnerung daran ist physisch. Diese Zeit, die sich in die Länge zieht und von einer Art Nichts durchwoben wird, aber auch einem Warten, einem Hoffen, einem Bangen, ich bilde mir ein, sie in der Natur besser ertragen zu können.
Jetzt bilde ich mir das ein. Wenn ich morgen wieder auf meinem Fahrrad durch Mitte treibe, den Dom sehe, die Museumsinsel, die Synagoge, den Wind im Gesicht, die Sonne auf den Armen spüre, dann werde ich es nicht mehr denken. Denn eigentlich möchte ich diese Pandemie nirgendwo anders als in Berlin erleben, in dieser so offenen und freigeistigen Stadt, die niemals in die Knie gehen wird. Sie wird Corona irgendwann vor sich her tragen wie einen Orden, einen weiteren in seiner Geschichte für etwas, dass es gemeistert hat. Corona wird ein Teil von Berlin werden, wie alle anderen Geschehnisse, die diese Stadt unwiderruflich prägen. 

28 Tage. Vier Wochen.
Irgendwie ein Zeitpunkt, sich zurück zu erinnern. Denn auch diese Zeitspanne hat in meinem Körper bereits Spuren hinterlassen in Form von Erinnerungen. Das Grün des Bärlauchs im Wald, das laufende Wasser, die Seife auf meinen Händen, die langsam verschrumpeln. Der Geruch der Handcreme, die ich viel öfter benutze als sonst. Das regelmäßige Schreiben am Tagebuch hier. Die langen Spaziergänge. Das Treten meiner Füße auf dem Asphalt. Eine Ruhe auch. In meinen Körper ist eine Ruhe eingekehrt, die ich sonst nur kenne von viel kürzeren Zeitspannen: wenn ich zwei Wochen irgendwo im Urlaub bin zum Beispiel.
Ausschlafen, sich treiben lassen, schreiben, lesen, Filme anschauen, spazieren gehen. Natürlich arbeite ich die ganze Zeit weiter, aber auf einem vollkommen anderen Level, Meine Arbeit besteht zu einem großen Teil aus sozialen Kontakten: Beratungen, Gespräche, in mein Büro kommen an manchen Tagen fünfzig Menschen und mit jedem unterhalte ich mich. All das fällt weg. Es fehlt mir. Es fehlt mir nicht.

 28 Tage. Vier Wochen. Irgendwie ein Punkt, um alles, was bisher war, Revue passieren zu lassen. Jemand hat dies auf eine so wunderschöne und berührende Weise getan, dass ich dies mit Euch teilen wollte. Meine Schreibfreundin Valley Haggard aus Richmond, deren Texte ich liebe und bewundere und ich wünsche mir sehnlich, eines Tages persönlich an einem ihrer Kurse in Virginia teilnehmen zu können, hat diese letzten 28 Tage zusammen gefasst und einen Raum mit ihren Worten geschaffen, in dem wir uns alle erinnern können an jeden einzelnen Tag und an die immense Verbindung, die wir alle in dieser Pandemie teilen. Sie hat mir dankenswerterweise gestattet, diesen Text hier zu teilen. Thank you, Valley! I love your writing and your spirit. Its one source of nourishment for me in those odd days of the pandemic 💜

28 Days

Day 1: We built a fire pit!
Day 2: I organized the storage closet.
Day 3: Taught my first zoom class!
Day 4: C had to shut her business down.
Day 5: Dad struggling but we talked on FaceTime.
Day 6: Haircut/concert/taxes cancelled.
Day 7: First appointment with new psychiatrist- virtually.
Day 8: An oddly lovely second day of spring.
Day 9: Henry has lucid dreams and I take long naps.
Day 10: School is cancelled for the rest of the year.
Day 11: Shock/disbelief/prayer/weirdness.
Day 12: Cancel my retreat. Heart broken.
Day 13: I zoom, Henry zooms, we all zoom.
Day 14: Exhausted/wacked out/watch Tiger King.
Day 15: Zoom birthday party for L’s 39th.
Day 16: Anxious + aimless.
Day 17: Mandatory stay at home orders from Gov N.
Day 18: Sludge, sadness, shock.
Day 19: I make lemon cake and read The New Yorker.
Day 20: Dad calls to say he’s become a copy of himself.
Day 21: Friend’s pregnant friend has to go to the hospital. Shit.
Day 22: Am I coughing?? Shit.
Day 23: I feel better, thank God.
Day 24: Stan spray paints 3 doors.
Day 25: Picked up face masks from S. Full moon + thunderstorm.
Day 26: Am I going to write another book???
Day 27: We made it to the grocery store!!!! Praise the Lord!
Day 28: Today! 28 days is a calendar month, a stint in rehab. I have counted days before. Days since a break-up. Days until my wedding. Days that my infant son breathed air on this earth. Days of sobriety. Days without a cigarette. Days until leaving home or coming back home again. I don’t know when these days will end, but I do know that each day I get to number is a miracle and that they are connected to everyone else alive, counting days of their own on this planet.
(c) Valley Haggard)

28 Tage. Vier Wochen. Heute habe ich einen Kuchen gebacken. Apfelstreusel. Den hat sie sich gewünscht, denn morgen wird sie 14, Miss Lilly. Die Zeit vergeht und verbindet uns mit allem und allen, die vor uns, mit uns und nach uns sind.
Es ist doch ein irrer Gedanke, dass wir alle, die ganze Welt, alle Menschen in ihr, gerade durch Corona so derart verbunden sind miteinander wie vielleicht noch nie während meiner Lebenszeit. Darüber mal nachdenken für einen Moment. Karfreitag. Die Liebe diesmal einfach nicht ans Kreuz nageln. So als Möglichkeit. Ergebnisoffen. Die Liebe auch nicht auf das begrenzen, was einem persönlich wichtig ist, sondern sein Herz so weit öffnen, wie es nur irgend geht. Jeder einzelne Mensch da draußen ist Jesus. Ist so.

In diesem Sinne, bleibt gesund, ragazzi und companeros, schützt Euch und Eure Liebe, auch und gerade zu Ostern und haltet durch! 💙💚💛💜 May the force be with you 💪
(c) Susanne Becker

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