Ab heute gilt in Berlin in den öffentlichen Verkehrsmitteln Maskenpflicht.
Ich habe darüber nicht weiter nachgedacht, weil ich seit sieben Wochen in keinem öffentlichen Verkehrsmittel mehr war und auch nicht dachte, dass sich das groß vor dem Winter ändern würde. Schließlich habe ich ein Fahrrad und komme damit bequem überall hin.
Allerdings hatte meine Fahrrad andere Pläne und ging heute auf dem Weg zur Arbeit, nur circa hundert Meter von meinem Fahrradladen entfernt, kaputt. Ich schob es zum Laden und stellte fest, dass der Montag geschlossen ist.
Also Bus und U-Bahn. Laufen ist ziemlich weit. Es wäre möglich, aber ich würde sicher mehr als eine Stunde benötigen und war sowieso schon spät dran, weil ich vor der Arbeit noch meinen Laptop zu meiner Tochter bringen und für die Zoom - Unterrichtsstunde starten musste. #Coronaalltag Yippieh!
In Bus und Bahn trugen dann wirklich fast alle eine Maske und hielten auch Abstand. Da ich mir ja schon vor Wochen Masken bei Für mich gemacht , siehe auch Corona Tagebuch (19), war ich bestens, um nicht zu sagen: vorbildlich, vorbereitet.
Es war nicht so besonders voll. Am Alexanderplatz war dann kurz ziemliches Geschrei, nicht untypisch, eigentlich ist immer auf der Strecke der U8 irgendwo Geschrei, denn es ist die Dealer und Junkie Linie (sorry für die offenen Worte, aber ist so) und eine Gruppe junger Junkies stieg ein. Die Frau, sicher noch keine 20, die gegrölt hatte, lief mit Bierflasche in der Hand den Wagen ab und stellte die beiden einzigen Personen zur Rede, die keine Maske trugen. "Ej, EJ, HALLO, DU TRÄGST KEINE MASKE. DET IS AB HEUTE PFLICHT!"
Die ganze Situation war mal wieder typisch Berlin. Die Angesprochenen ignorierten die Frau, verdrehten die Augen, sahen woanders hin. Dachten sich wohl: Was hat die Alte mir zu sagen, dieser Underdog.
Aber sorry, sie war diejenige, die recht hatte und sie trug eine Maske.
Im Büro Zusammenkunft zwecks zu treffender Hygienemaßnahmen, falls irgendwann wieder der Schulbetrieb aufgenommen werden soll, was wir alle hoffen.
All diese kleinen Dinge, die bedacht werden müssen. Und immer vor dem Hintergrund der Personen, die am meisten Angst haben, sich anzustecken. Weil sie beispielsweise zu einer Risikogruppe gehören, oder weil sie einfach so Angst haben. Sich also sozial zu verhalten den Schwächsten gegenüber, und nicht nur versuchen, die Regeln so geschickt wie möglich zu umgehen, auch das ist etwas, was in dieser Situation immer bedacht werden muss. Dass es nicht reicht, sich zu denken: "Ich habe überhaupt keine Angst, mich anzustecken." oder wie es ein Kollege letztens zu mir sagte: "Ich habe überhaupt keine Angst vor dem Virus."
Das ist total schön, weil es sich natürlich mit dieser Haltung entspannter lebt. Aber man muss eben dennoch im Umgang mit anderen immer davon ausgehen, dass die anderen Angst haben, mit Grund und mit Recht, und dass man Rücksicht nehmen muss in einem Ausmaß, das man bislang so nicht kannte. Das ist schwer und macht viele viele Alltagssituationen extrem ungeschmeidig.
Während wir im Büro darüber sprachen, wurde mir bewusst, dass wir als Lehrbetrieb die Pflicht haben, unsere Regeln nach den schwächsten sozusagen auszurichten.
Ich merke auch selbst, obwohl ich kein ängstlicher Typ bin, dass ich mich wohler fühle im Umfeld von Menschen, die die Regeln gerade selbstverständlich umsetzen. Es stresst mich, wenn Leute mir zu nah kommen, oder mir ins Gesicht sprechen, vor allem, wenn dahinter jene Haltung steht: "Ich habe keine Angst." oder auch: "Indem ich mir den Abstand nicht vorschreiben lasse, verteidige ich übrigens auch Deine Grundrechte!" die man eben auch so ein bisschen demonstrieren möchte. Das Einhalten von persönlichen Grenzen, die plötzlich viel sensibler sind und gleichzeitig brutaler. Menschen, die sich nach Nähe sehnen, werden sehr oft das Gefühl haben, zurückgestoßen zu werden. Menschen, die sowieso eher Abstand halten, immer schon, werden vermutlich weniger Probleme damit haben. Das Halten an die Regeln als Statement, über die Coronakrise hinaus, genauso wie das sich nicht daran Halten. Gerade wird es schnell offenbar, wer wo steht und das ist mittlerweile tendenziell auch eine politische Stellungnahme, die man normalerweise vielleicht nicht so vor sich herträgt. Man ist sichtbarer mit seinen Überzeugungen. "Ja, ich halte mich an die Regeln." "Nein, ich tue es nicht."
Meinen Heimweg habe ich dann größtenteils zu Fuß zurück gelegt und wurde mit diesem Himmel dafür belohnt.
Witz, den ich gehört habe: "Also, Ihr müsst ab jetzt immer 1,5 bis 2 Meter Abstand halten." Reaktion von Menschen, die Nähe nicht so toll finden: "Was! So nah?!?"
Heute kam eine Mail der Schule, wo sich natürlich mit den gleichen Fragen auseinandergesetzt werden muss: Wie ist es überhaupt möglich, Schüler*innen wieder vor Ort zu unterrichten, wenn man alle Vorsichtsmaßnahmen befolgt?
In der Mail hieß es ziemlich klar, dass nicht davon auszugehen ist, dass bis zu den Sommerferien nochmal ein geregelter Schulbetrieb möglich ist.
Die Dauer des Ganzen wird mir immer klarer. Denn auch diese Sommerferien sind ja eine willkürliche Grenze. Wie soll es denn danach weitergehen, wenn das Virus natürlich immer noch überall vorhanden ist? Der Gedanke stresst mich nicht. Ich merke, wie ich es annehmen kann, wie es ist. Für den Moment. Das kann sich natürlich immer ändern. Wer weiß, was noch geschieht.
Gestern habe ich einmal so richtig gelacht. Als ich ein kleines Video sah, in welchem Brad Pitt Dr. Anthony Fauci spielte. Hier ist es:
Heute bin ich im Kiosk meines Vertrauens. Die Besitzerin, Neyshla, erzählt mir dann gleich, dass sie jetzt auch selber Masken näht und schenkt mir eine für meine jüngere Tochter, weil die ihre Freundin ist. Sie geht schon seit Jahren zu Neyshla und deckt sich mit Süßigkeiten, Fussballzeitungen, Comics und neuerdings der Bravo ein 😍 Ich glaube, es könnte sein, dass ich mittlerweile weltweit eine der letzten Personen bin, die noch keine Maske selbst genäht hat.
Als letztes noch eine Empfehlung für eine Serie bei Netflix, die ich wirklich herrlich finde: Grace and Frankie mit Jane Fonda und Lily Tomlin. Ich muss sehr viel lachen und das ist ja gerade eher nicht verkehrt.
Glotzt ruhig ein bisschen. Tue ich sonst auch nie, aber während einer Pandemie kann man mal die Regeln kurzfristig verändern. Bleibt gesund. Auch psychisch. Das scheint mir, wenn ich mich umschaue, eine nicht unerhebliche Herausforderung angesichts des Drucks und der Unsicherheit zu sein. May the force be with you 💪💚💚 Schlaft gut! Love you 💓
(c) Susanne Becker
Ich habe darüber nicht weiter nachgedacht, weil ich seit sieben Wochen in keinem öffentlichen Verkehrsmittel mehr war und auch nicht dachte, dass sich das groß vor dem Winter ändern würde. Schließlich habe ich ein Fahrrad und komme damit bequem überall hin.
Allerdings hatte meine Fahrrad andere Pläne und ging heute auf dem Weg zur Arbeit, nur circa hundert Meter von meinem Fahrradladen entfernt, kaputt. Ich schob es zum Laden und stellte fest, dass der Montag geschlossen ist.
Also Bus und U-Bahn. Laufen ist ziemlich weit. Es wäre möglich, aber ich würde sicher mehr als eine Stunde benötigen und war sowieso schon spät dran, weil ich vor der Arbeit noch meinen Laptop zu meiner Tochter bringen und für die Zoom - Unterrichtsstunde starten musste. #Coronaalltag Yippieh!
In Bus und Bahn trugen dann wirklich fast alle eine Maske und hielten auch Abstand. Da ich mir ja schon vor Wochen Masken bei Für mich gemacht , siehe auch Corona Tagebuch (19), war ich bestens, um nicht zu sagen: vorbildlich, vorbereitet.
Es war nicht so besonders voll. Am Alexanderplatz war dann kurz ziemliches Geschrei, nicht untypisch, eigentlich ist immer auf der Strecke der U8 irgendwo Geschrei, denn es ist die Dealer und Junkie Linie (sorry für die offenen Worte, aber ist so) und eine Gruppe junger Junkies stieg ein. Die Frau, sicher noch keine 20, die gegrölt hatte, lief mit Bierflasche in der Hand den Wagen ab und stellte die beiden einzigen Personen zur Rede, die keine Maske trugen. "Ej, EJ, HALLO, DU TRÄGST KEINE MASKE. DET IS AB HEUTE PFLICHT!"
Die ganze Situation war mal wieder typisch Berlin. Die Angesprochenen ignorierten die Frau, verdrehten die Augen, sahen woanders hin. Dachten sich wohl: Was hat die Alte mir zu sagen, dieser Underdog.
Aber sorry, sie war diejenige, die recht hatte und sie trug eine Maske.
Im Büro Zusammenkunft zwecks zu treffender Hygienemaßnahmen, falls irgendwann wieder der Schulbetrieb aufgenommen werden soll, was wir alle hoffen.
All diese kleinen Dinge, die bedacht werden müssen. Und immer vor dem Hintergrund der Personen, die am meisten Angst haben, sich anzustecken. Weil sie beispielsweise zu einer Risikogruppe gehören, oder weil sie einfach so Angst haben. Sich also sozial zu verhalten den Schwächsten gegenüber, und nicht nur versuchen, die Regeln so geschickt wie möglich zu umgehen, auch das ist etwas, was in dieser Situation immer bedacht werden muss. Dass es nicht reicht, sich zu denken: "Ich habe überhaupt keine Angst, mich anzustecken." oder wie es ein Kollege letztens zu mir sagte: "Ich habe überhaupt keine Angst vor dem Virus."
Das ist total schön, weil es sich natürlich mit dieser Haltung entspannter lebt. Aber man muss eben dennoch im Umgang mit anderen immer davon ausgehen, dass die anderen Angst haben, mit Grund und mit Recht, und dass man Rücksicht nehmen muss in einem Ausmaß, das man bislang so nicht kannte. Das ist schwer und macht viele viele Alltagssituationen extrem ungeschmeidig.
Während wir im Büro darüber sprachen, wurde mir bewusst, dass wir als Lehrbetrieb die Pflicht haben, unsere Regeln nach den schwächsten sozusagen auszurichten.
Ich merke auch selbst, obwohl ich kein ängstlicher Typ bin, dass ich mich wohler fühle im Umfeld von Menschen, die die Regeln gerade selbstverständlich umsetzen. Es stresst mich, wenn Leute mir zu nah kommen, oder mir ins Gesicht sprechen, vor allem, wenn dahinter jene Haltung steht: "Ich habe keine Angst." oder auch: "Indem ich mir den Abstand nicht vorschreiben lasse, verteidige ich übrigens auch Deine Grundrechte!" die man eben auch so ein bisschen demonstrieren möchte. Das Einhalten von persönlichen Grenzen, die plötzlich viel sensibler sind und gleichzeitig brutaler. Menschen, die sich nach Nähe sehnen, werden sehr oft das Gefühl haben, zurückgestoßen zu werden. Menschen, die sowieso eher Abstand halten, immer schon, werden vermutlich weniger Probleme damit haben. Das Halten an die Regeln als Statement, über die Coronakrise hinaus, genauso wie das sich nicht daran Halten. Gerade wird es schnell offenbar, wer wo steht und das ist mittlerweile tendenziell auch eine politische Stellungnahme, die man normalerweise vielleicht nicht so vor sich herträgt. Man ist sichtbarer mit seinen Überzeugungen. "Ja, ich halte mich an die Regeln." "Nein, ich tue es nicht."
Meinen Heimweg habe ich dann größtenteils zu Fuß zurück gelegt und wurde mit diesem Himmel dafür belohnt.
Der Himmel über Berlin, 27. April 2020 |
Heute kam eine Mail der Schule, wo sich natürlich mit den gleichen Fragen auseinandergesetzt werden muss: Wie ist es überhaupt möglich, Schüler*innen wieder vor Ort zu unterrichten, wenn man alle Vorsichtsmaßnahmen befolgt?
In der Mail hieß es ziemlich klar, dass nicht davon auszugehen ist, dass bis zu den Sommerferien nochmal ein geregelter Schulbetrieb möglich ist.
Die Dauer des Ganzen wird mir immer klarer. Denn auch diese Sommerferien sind ja eine willkürliche Grenze. Wie soll es denn danach weitergehen, wenn das Virus natürlich immer noch überall vorhanden ist? Der Gedanke stresst mich nicht. Ich merke, wie ich es annehmen kann, wie es ist. Für den Moment. Das kann sich natürlich immer ändern. Wer weiß, was noch geschieht.
Gestern habe ich einmal so richtig gelacht. Als ich ein kleines Video sah, in welchem Brad Pitt Dr. Anthony Fauci spielte. Hier ist es:
Heute bin ich im Kiosk meines Vertrauens. Die Besitzerin, Neyshla, erzählt mir dann gleich, dass sie jetzt auch selber Masken näht und schenkt mir eine für meine jüngere Tochter, weil die ihre Freundin ist. Sie geht schon seit Jahren zu Neyshla und deckt sich mit Süßigkeiten, Fussballzeitungen, Comics und neuerdings der Bravo ein 😍 Ich glaube, es könnte sein, dass ich mittlerweile weltweit eine der letzten Personen bin, die noch keine Maske selbst genäht hat.
Als letztes noch eine Empfehlung für eine Serie bei Netflix, die ich wirklich herrlich finde: Grace and Frankie mit Jane Fonda und Lily Tomlin. Ich muss sehr viel lachen und das ist ja gerade eher nicht verkehrt.
Glotzt ruhig ein bisschen. Tue ich sonst auch nie, aber während einer Pandemie kann man mal die Regeln kurzfristig verändern. Bleibt gesund. Auch psychisch. Das scheint mir, wenn ich mich umschaue, eine nicht unerhebliche Herausforderung angesichts des Drucks und der Unsicherheit zu sein. May the force be with you 💪💚💚 Schlaft gut! Love you 💓
(c) Susanne Becker
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