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Corona Tagebuch (31)

Heute habe ich ein neues Wort gelernt und ich muss sagen, ich habe mich selten zuvor so erkannt gefühlt.
Apocaloptimist = Jemand der weiß, dass alles den Bach runter geht aber dennoch glaubt, dass alles gut enden wird.

Ich glaube, dieses Wort gibt es nur im Urban Dictionary und vermutlich auch nicht auf Deutsch.
Wobei ich gerade für mich beschlossen habe, dass es das Wort ab jetzt gibt. Wir schreiben es so
Apokaloptimist
Offensichtlich wird es aus den Worten Apokalypse und Optimist gebildet und es passt nahezu perfekt in den fragilen Moment, den wir hier gerade alle teilen.
Nichts zu danken.
Ihr könnt das Wort ab jetzt benutzen, falls es zu Euch so gut passt wie zu mir. 

Und ? Wie war Euer Ostern? Besinnlich? Erdverbunden? Sportiv? 
Habt Ihr gelesen? Einen Film geschaut? Gut gegessen?

Ich habe mir endlich mal die Nägel lackiert und in der Wohnung herum geräumt. Die jüngere Tochter hat sich von fast all ihren Kuscheltieren verabschiedet. Sie wurden standesgemäß verpackt und gelagert. Das war ein emotionaler Moment. Denn sie hat zwar sehr viele Kuscheltiere, einige stammten noch von ihrer älteren Schwester, aber zu den meisten gibt es auch sehr berührende Geschichten. Ich erinnerte viele davon und wurde wehmütig. Wie sie früher keine Reise antrat, ohne nicht wenigstens zwei bis vier Kuscheltiere einzupacken. Wir konnten mit drei verschiedenen Flugzeugen bis New Mexico fliegen, aber die Stofftasche mit den Kuscheltieren war als Bordgepäck immer mit dabei. Meine Nerven wurden von dem Gedanken strapaziert, wir könnten sie irgendwo liegen lassen. Ich wusste, dass dann jede Reise im Keim zerstört wäre. Ohne Fuchsi, Hasi, Theo und Rudi konnte es keine guten Ferien geben für uns. 


Riesenrad im Plänterwald


Wie schnell die Zeit vergeht.
Wir waren ja immer schon so fragil. 
Aber es fällt in "normalen" Zeiten nicht weiter auf.

Ich habe lange mit meinem Bruder telefoniert. Wir sind beide im Grunde Gewinner der Corona Situation, insofern als wir die Maßnahmen genießen. Irgendwann am Anfang las ich irgendwo den Satz: Wenn dein Lebensstil plötzlich Quarantäne genannt wird.
Das trifft es ganz gut. Für mich persönlich bedeuten die Maßnahme keine große Einschränkung, sondern eher eine Erleichterung. Mein Leben ist viel weniger stressig. Ich habe weniger Termine, muss weniger ins Büro, habe mehr Zeit, die Dinge zu tun, die ich wirklich gerne tue.
Meine Tochter findet die Vorstellung, bald wieder in die Schule zu müssen, unattraktiv. Auch sie genießt die Freiheit. Sie lernt Dinge, auf die sie Lust hat. Nebenbei lernt sie selbständiges Zeitmanagement, mit Freiräumen klar kommen, ihrer inneren Stimme folgen, tun, was sie wirklich tun möchte. Den ganzen Tag.
Ihr Cousin sagte letztens, wegen ihm könne die Schulschließung bis Weihnachten so weiter gehen.
Generell scheint es mir, als kenne ich mehr Leute, die die Maßnahmen genießen, als solche, die darunter leiden.
Womit ich nicht sagen will, dass sie toll sind, oder dass sie nicht für viele Menschen eine unglaubliche Belastung darstellen. Das ist mir die ganze Zeit bewusst.
Dennoch wurde mir im Gespräch mit meinem Bruder klar, wie sehr ich persönlich, subjektiv diese Zeit nutze und sogar genieße. Wie privilegiert ich auch bin, dass ich eine solche Situation so sehen kann. Ich bin nicht von Existenzverlust bedroht. Ich gehöre keiner offensichtlichen Risikogruppe an. Es ist mir fast peinlich, es offen zuzugeben. Weil ich weiß, für wie viele Menschen diese Situation schrecklich ist. Aber heute war so ein Tag, da traf ich nur auf jene, die es genießen und ich denke, darin steckt etwas wichtiges. Das Leben, das viele von uns vor Corona lebten, war zu voll, zu schnell, zu laut, zuviel. Deshalb empfindet man diesen Stopp auf halber Strecke als Erleichterung.

Bevor ich ins Bett gehe, schaue ich mir noch eine Dokumentation über Gerhard Richter an, einen Künstler, den ich wirklich außerordentlich mag. Er läuft auf der Seite des Metropolitan Museum of Modern Art.

Schlaft gut. Bleibt gesund und jetzt warten wir gemeinsam gespannt auf das, was entschieden wird in der kommenden Woche.


(c) Susanne Becker




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