Direkt zum Hauptbereich

Gelöbnis

das sollte ich tun             täglich
um sechs uhr aufstehen meditieren
yoga machen und dann an den
schreibtisch nein besser um fünf
uhr denn sonst stehen die anderen
auf bevor ich sitze bevor ich am
schreibtisch sitze ich sollte täglich
schreiben meditieren und yoga machen
allein die disziplin wird etwas bewirken
mehr noch wenn ich dabei freundlich
bleibe vor allem zu mir selbst zu anderen
auch auch zu anderen sooft wie
möglich in den garten fahren allein
allein auch über nacht und dort der
angst bis auf den grund gehen nicht
auf den leim der nachtigall lauschen auf
dem grund der angst findet sich eine
menge der wahrheit mit der man
auftauchen kann zum licht und
dann den alltag nicht vergessen
putzen wäsche abwasch nicht ungern
nicht im widerstand sich verheddern
sondern freundlich zu mir selbst zu jeder
tasse zu jeder schmutzigen unterhose auch
denen der anderen vor allem diesen
gegenüber könnte ich freundlicher sein

das sollte ich lieber lassen     täglich
den alltag und mit ihm mein ganzes
leben mit jenem hadern und zweifeln
zu betrachten als wäre es der testlauf
als käme noch die premiere meines
wahren Lebens aus den Kulissen 
das tratschen all die energie die ich
verschwende indem ich mich im leben
anderer tummele wie ein fisch im trüben
wasser fischend im trüben nichts kann
dabei heraus kommen das für irgendwen
von nutzen wäre jemals und dann das
widerstand leisten gegen jeden ungebetenen
gast jede frage jede bitte man glaubt ja nicht
was einem alles so ungelegen kommen kann
an einem ganz normalen tag jeden tag mitten
in der stadt im eigenen leben stören die
anderen die menschen und das wetter einen
auf aus einer eingebildeten ruhe und darüber
werde ich ungeduldig und wütend und zynisch
auch auch das wäre zu unterlassen wenn
irgendmöglich am besten gleich denn jeder
weitere atemzug investiert in diese aktivitäten
ist eine verschwendung meiner selbst

© Susanne Becker

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer ...

Gedanken zu dem Film Corsage von Marie Kreutzer mit Vicky Krieps

  When she was home, she was a swan When she was out, she was a tiger. aus dem Song: She was von Camille   (s.u.) Ich kenne so viele Frauen, die sich ein Leben lang nicht finden, die gar nicht dazu kommen, nach sich zu suchen, die sich verlieren in den Rollen, die die Welt ihnen abverlangt.  Es gibt so viele Orte, an denen Frauen nicht den Schimmer einer Wahl haben, zu entscheiden, wie sie leben, wer sie sein möchten. Diese Orte werden mehr. Orte, an denen Frauen einmal ein wenig freier waren, gehen uns wieder verloren. Die meisten Frauen leben gefährlich. Gefährlicher als Soldaten in Kriegen.  Aber dennoch hatte ich kein Mitleid mit der Kaiserin, den ganzen Film über nicht ein einziges Mal, weil sie eigentlich nicht als sympathische Person gezeigt wurde. Was ich gut fand. Denn welche Frau kann sich etwas davon kaufen, dass sie bemitleidet wird? Elisabeth ist in diesem Film selbstzentriert, rücksichtslos, narzisstisch. Besessen von ihrem Körper, seinem Gew...

Buch der Woche - Wider die Natur von Tomas Espedal

"Er blies seine Trompete, und mich traf der Gedanke, wie falsch ich lebte, so schwach und feige, so still und vorsichtig; ich wollte werden wie dieser Mann mit Hut und Poncho, ich wollte ein aufrichtiger, kompromissloser Mensch werden, ich wollte so schreiben, wie er sang, ich wollte ein schwieriger, ehrlicher Mann sein." In seinem Buch Wider die Natur berichtet Tomas Espedal von der Beziehung eines älteren Mannes, eines Mannes von 48 Jahren, mit einer jungen Frau, einer Frau von Anfang 20. In der Öffentlichkeit werden die beiden nicht selten für Vater und Tochter gehalten. Sie schämen sich, in der Öffentlichkeit zu sein, wegen des Altersunterschiedes, der wider die Natur zu sein scheint. Sie ziehen sich in ihr Haus zurück. Dort ist der Mann, aus dessen alleiniger Sicht alles geschrieben wird, so glücklich wie noch nie zuvor. Er liebt, wie noch nie zuvor. Nach sechs Jahren verlässt die junge Frau ihn. Für sie ist es die erste wirkliche Beziehung und sie möchte jetzt mehr ...