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Posts mit dem Label "Hanser Verlag" werden angezeigt.

Blaue Wunder

I want to live in the realm of possibility not in a place, where everything has already happened. Diese Woche ist in vieler Hinsicht sehr aufregend. Ich ahnte es schon vorher, und habe sie deshalb letzten Sonntag Abend mit zwei Gin Tonics und zwei Freunden im Südblock eingeläutet. Der Südblock ist eine der tollsten Kneipen in Berlin und muss natürlich seit Montag geschlossen bleiben. Ich wollte mich an diesem Abend also selbst trösten, dabei ist mir wieder aufgefallen, wie unglaublich gut ich Gin Tonic vertrage und dass es einfach der leckerste Drink ist. Meine Meinung! Ich wollte aber auch noch einmal in die Kneipe, in eine Kneipe, die ich so richtig mag. Keine Panik: Wir waren draußen, wir haben Abstand gehalten, das ganze Hygienekonzept ist sicher tausendmal besser als in jeder orthodoxen Kirche, wo, ich hörte es kürzlich von einem Mitglied, immer noch aus einem Kelch getrunken wird.  Wir sind wieder in einer Art Lockdown. Aber ehrlich gesagt fällt es hier in Berlin, abgesehen...

Maggie Nelson - Bluets

"I want you to know, if you ever read this, there was a time, when I would rather have had you by my side than any one of these words, I would rather have had you by my side than all the blue in the world." Bluets von Maggie Nelson ist eines dieser Bücher, bei denen man der Autorin im Grunde beim Denken zuschauen kann. Es ist, als würde sie ihr Gehirn für die Leserin öffnen. Man kann zuschauen, wie sie die Innenräume ihres Bewusstseins auslotet, ihres Wissens, Fühlens, Erinnerns. Diese Art von Büchern wurden mir in den letzten Jahren immer lieber. Sie formen, während ich darin lese, mein eigenes Denken, erweitern es, inspirieren mich und bringen mich dazu, vieles anders und neu zu sehen. Ausgehend von ihrer  Leidenschaft für die Farbe Blau erzählt sie von einer Liebesgeschichte, die zuende gegangen ist. Sie hat den Blues. Schreiben als Pharmakon, als Medizin gegen die tiefe Traurigkeit, die möglicherweise tiefer wird, die niemals enden könnte. Schreiben funktioniert imm...

Miroloi von Karen Köhler

Heute habe ich Miroloi von Karen Köhler beendet. Ein von der Autorin selbst gestaltetes, wunderschönes Buch. Eine Parabel auf die Wirklichkeit, unter deren Wucht man sich unangenehm windet. Man möchte nicht daran denken, wie real all das, was Köhler erzählt, für viele Frauen auf dieser Welt ist. Und leider nicht nur auf einsamen Inseln, sondern z.B. mitten in Brooklyn, in der chassidischen Gemeinde (siehe dazu Unorthodox von Deborah Feldman), um nur ein Beispiel zu nennen. Seltsamerweise ging es mir tatsächlich so, dass ich während der Lektüre von Miroloi sehr oft an die Geschichte Deborah Feldmans denken musste. Die ja darin ebenfalls eine archaische, weltabgewandte Gesellschaft schildert, der sie selbst gegen alle Wahrscheinlichkeit zu entfliehen versucht. Das Buch handelt von einer namenlosen Außenseiterin, die in einer abgelegenen Inselgemeinde aufwächst, wo Frauen keinerlei Rechte haben. Sie dürfen weder lesen, schreiben noch schwimmen. Sie haben keinerlei Möglichkeiten,...

Asymmetrie von Lisa Halliday

"He called her mermaid. She didn't know why." Gerade habe ich Asymmetrie von Lisa Halliday beendet und vielleicht ist es eines der Bücher, das mich am stärksten aus meiner „comfort zone“ katapultiert hat. Weil eine amerikanische, weiße, im Grunde privilegierte Frau, die in der Literaturwelt arbeitet, ihren Horizont so derart transzendiert, dass es sie in die Lage versetzt, mit der Stimme eines irakisch-amerikanischen Mannes zu schreiben, der am Londoner Flughafen davon abgehalten wird, in Großbritannien einzureisen. Dabei möchte er dort nur zwei Tage bleiben, seinen Freund Alastair, einen Kriegsjournalisten, treffen und dann, über Istanbul, weiter in den Irak reisen. Aber man lässt ihn nicht. Er hat zwei Pässe. Er ist auch Iraker. Irakisch ist eine der verdächtigen Nationalitäten. Terroristen sind Iraker. Die Geschichte dieses Mannes, seiner Familie, ein Teil der Geschichte des Irak macht aber erst den zweiten Teil dieses wunderbaren Buches aus. Im ersten Tei...

Die kleinteilige Welt ist die Rettung*

Im Schreiben wie im Leben ging es ja eigentlich immer wieder darum, sich nicht davon wehen zu lassen, nicht ablenken, nicht die Konzentration verlieren. Das Zentrum, das wesentliche, in Ruhe anvisieren und dann tun. Es ging darum, da zu bleiben. Das meiste war Flucht. Wie oft maskierte sich die pure, instinktgesteuerte Bedürftigkeit als freier Wille. Es ging ihr darum, überhaupt heraus zu finden, was ein freier Wille, ihr freier Wille, wollen könnte. Das ging nur, indem man sich konzentrierte. Sie ließ sich noch viel zu sehr ablenken. (aus dem Romanmanuskript) Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich seit kurzem ein Smartphone besitze? Die Wahrheit ist, meine Gefühle diesem flachen, handlichen Apparat gegenüber sind gespalten. Es gibt Momente, da liebe ich es, weil es tolle Fotos macht, ich damit leichter Orte finde (wichtig, wenn ein Kind im Fussballverein ist und regelmäßig Samstagmorgen um 8 Uhr auf abgelegenen Sportplätzen sein muss), ich jetzt ein Instagram Account...

Meine Lieblingsbuchhändlerinnen stellen ihre Lieblingsbücher vor (23)

Die Kreuzberger Buchhändlerinnen Katja Weber und Jessica Ebert stellen in loser Folge hier Bücher vor, die Ihnen gerade gut gefallen oder einfach aufgefallen sind. Sie lesen ständig und wenn der seltene Fall eintritt, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich als nächstes lesen oder aber einer Freundin schenken soll, habe ich bei den beiden noch immer Hilfe gefunden.  Sie haben übrigens auch immer eine genial verführerische Auswahl an englischen Büchern, sowie das tollste Geschenkpapier und anderen Schnickschnack, den man dringend braucht. Alle hier genannten Bücher könnt Ihr natürlich in ihrem wunderbaren Buchladen  ebertundweber  in Kreuzberg kaufen.  Hatte ich erwähnt, dass es mein Lieblingsbuchladen ist, und dass sie jetzt auch bei  Facebook  sind?  Liebe Susanne, es ist leicht ermüdend, wenn Bücher als "besonde rs" " einzigartig" und "sp rachlich himmlisch" beschrieben werden. Geht aber wirklich nicht anders. Anja Kampmanns Buch " Wi...

Navid Kermani - Dein Name

„Insofern ist dies keine Chronik der Heiligen.“ Nein, aber vielleicht ist das Buch eine Chronik des Heiligen, die von Navid Kermani unter dem Titel „ Dein Name “ in vierjähriger Arbeit geschaffen wurde, eine Chronik des Heiligen, das in unserer aller Leben in jedem noch so banalen Akt genauso wohnt, wie in den großen Taten. Eine Chronik dessen, was wir nicht kontrollieren, dem wir uns nur ergeben können. „Natürlich ist es eine Utopie, in einem einzigen Text alles zu schreiben – er wäre unlesbar. Es geht darum, eine Form zu finden, die die Lebensfülle zwar nicht birgt, das wäre unmöglich, aber den Text zum Unendlichen hin öffnet.“ Während er die Toten nennt, deren Leben er durch das Buch verlängert, indem er sie erinnert, geht sein Leben weiter, als Ehemann, Vater, Schriftsteller, Sohn, als Meinungsverkäufer "..., danach holt er die Tochter vom Judo ab, um sie mit zum Rundfunk zu nehmen, wo er für eine vierminütige Meinung einen guten Tageslohn verdient zuzüglich sieben...

Karen Köhler - Wir haben Raketen geangelt (Das Leben ist kein Ponyhof!)

Foto von Julia Klug "Die Gehirnforscher haben auch herausgefunden, dass wir eigentlich gar keinen freien Willen haben, sondern unser gesamtes Handeln bestimmt ist von einer gigantischen Rechenleistung unseres Unterbewusstseins. Selbst wenn wir denken, wir entscheiden etwas spontan, hat unser Gehirn das alles vorher schon durchgerechnet." aus Das Wild ist scheu, der vorletzten Geschichte aus dem Buch Wir haben Raketen geangelt von Karen Köhler. Eine Frau steigt mit ein paar wenigen Dingen, darunter eine Isomatte und ein Vogelbestimmbuch, auf einen Hochsitz mitten im Wald. Am Anfang der Geschichte denke ich noch, sie macht einen kleinen Ausflug in die Wildnis, so wie eine Eremitin, um sich selbst zu finden oder so. Sie schreibt jeden Tag etwas in ihr Tagebuch, das sie für B. führt.Beobachtungen der Natur und ihrer selbst. Erst allmählich wird einem klar, dass sie dort hoch gestiegen ist, um zu sterben, bewusst. Sie isst nicht mehr und trinkt nur wenige Schlucke täglich, ...

A.L. Kennedy "Das blaue Buch" - Buchbesprechung oder auch: Ich bin ein Fan der Langeweile

Ich hatte " Das Blaue Buch " von A.L. Kennedy bereits Weihnachten vor einem Jahr bekommen (oder war es sogar vor zwei Jahren?) und es lag eine Weile in meinem Regal und ich konnte mich nicht aufraffen, es zu lesen, weil ich ahnte, dass es keine leichte Lektüre werden würde (nicht, dass ich immer auf leichte Lektüre stehe, im Gegenteil, aber es gibt so Zeiten, da kann ich mich einfach nicht aufraffen, ein Buch in die Hand zu nehmen, durch das ich mich unter Umständen, was man von anderen so gehört hat, quälen muss). Schon der Anfang macht einem deutlich, dass man sich in ein Buch begibt, welches andere Sphären auslotet. Es geht nicht darum, eine Geschichte von A-Z zu erzählen, sondern es geht um die Tiefe. Vielleicht bleiben wir bei A, vielleicht kommen wir bis B, egal, wie weit wir kommen, es wird tief getaucht werden. "Aber hier ist es, das Buch, das du liest. Offensichtlich. Dein Buch - jetzt fängt es an, es ist berührt und aufgeschlagen. Du könntest es anheben, wenn...