Es gibt ja so Tage, da hat man einfach Glück. Zum
Beispiel, wenn die Lieblingsbuchhändlerinnen zu einem Verlagsabend bei Secession eingeladen sind und beide nicht können, ihr daraufhin eine Mail schreiben, ob
sie hingehen möchte und sie geistesgegenwärtig genug ist, zu diesem Angebot „ja“
zu sagen.
Der Secession Verlag ist seit geraumer Zeit einer meiner
absoluten Lieblingsverlage. Bislang mochte ich jeden gelesenen Titel aus diesem Hause. Denn sie alle vereint die Poesie der Sprache, die Schönheit und Genauigkeit der Gestaltung
und die Klarheit der Aussage.
Ich hatte es schon einmal in einer Rezension zu dem Ferrari
Buch Ein Gott Ein Tier geschrieben, dass dieser Verlag Poesie und Politik
einzigartig verbindet in der heutigen Verlagslandschaft.
Dass er damit Erfolg hat, stimmt mich hoffnungsvoll.
Der Abend fand statt in den Räumen der Druckwerkstatt p98a von
Erik Spiekermann, wo mittlerweile seit einem Jahr auch die Secession Bücher
gemacht werden und wo seit kurzem, oben auf der Empore, die drei
Schreibtische, erreichbar über eine kleine, frei schwebende Wendeltreppe, der Berliner Dependance des Verlags stehen.
Man befand sich also zwischen Druckmaschinen, handgedruckten
Plakaten mit Sprüchen wie „Wenn ich umsonst arbeiten wollte, wäre ich
Ehrenamtler und nicht Freelancer“ oder „Feck Perfuction“ , und lauter tollen
Leuten. Gestaltet wurde der Abend von Adrienne Schneider. Sie organisiert
für Secession auch die Veranstaltungen mit Deborah Feldman, deren neues Buch „Überbitten“
am 29. Mai erscheinen wird.
Anwesend waren die drei Verlagsgründer, -verleger, -lektoren, -übersetzer Joachim von Zepelin,
Alexander Weidel und Christian Ruziscka.
Man erzählte uns, dem Publikum, das zum größtenteil aus
Buchhänderlinnen bestand, aber auch die wunderbare Bloggerin Masuko13 traf ich
dort, wie der Verlag gegründet worden war, wie man sich gegenseitig
kennengelernt hatte, wie man den ersten richtigen Hausautor, Steven Uhly, der
ebenfalls anwesend war, gefunden hatte, wie Christian Ruziscka in einem Neuköllner Café Deborah Feldman zufällig kennen gelernt hatte, ohne zu wissen, dass sie überhaupt schrieb... Alle waren in bester Erzähllaune, und jede einzelne Geschichte hatte so eine unwiderstehliche Note von Humor einerseits, aber Magie andererseits, so dass beim Zuhören die Laune immer besser wurde.
Immer wieder musste ich an dieses Goethe Zitat denken, in dem es dem Sinn nach heißt: das Universum beginnt sich in deine Richtung zu bewegen in dem Moment, in dem du einen festen Entschluss fasst. Jede einzelne Geschichte schien diese Idee zu bestätigen.
Zwischen den verschiedenen Gesprächsrunden gab es ein
wunderbares Essen: Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise, allesamt zubereitet und
dargeboten von dem Besitzer des Konzeptrestaurants Themroc in Mitte. Köstlich! Ich gebe ja hier sonst keine Restaurantempfehlungen, aber soviel sei gesagt, ich werde sicher demnächst dorthin gehen!
Irgendwann kam die Frage auf: Sollten Verlage heute
überhaupt noch ein Profil anstreben, ein eigenes Verlagsprofil, oder kommt es eher darauf an, so vielseitig und flexibel wie möglich zu sein?Der Tenor war Ja, man sollte ein Profil anstreben. Ich stimme dem zu! Es gibt so viele offene Fragen und so viele Dinge, die einen politisch
beunruhigen und jedes Mal, wenn ich ein Secession Buch oder nur den Katalog in
die Hand nehme, möchte ich Luftküsse verteilen, weil da Leute sind, die an die
Macht des Wortes glauben. Es erfüllt mich mit Erleichterung und Freude, dass
zwischen dem ganzen moderaten Wischiwaschi und dem diplomatischen Blablabla ein
Verlag ein poetisches Positionieren meisterhaft vollbringt. Der Glaube daran,
dass das Wort umso mächtiger sein kann, je schöner es ist, er scheint diesen
Verlag zu tragen. Das ist für mich sein Profil. Egal, ob es sich um Gedichtbände handelt, Romane, oder wie zuletzt, dem Buch mit den letzten Interviews, die Primo Levi vor seinem Tode gegeben hat, Ich, der ich zu Euch spreche. Ein Buch, das erst ganz wird durch das herausragende Nachwort von Maike Albath (die übrigens auch anwesend war!)
Da sitzt man plötzlich, an einem unerwarteten Montagabend mit
Menschen in der Potsdamer Straße und versteht, dass sie die Welt verbessern
wollen, und es auch tun, weil ihr Glaube an das Gute, an die Möglichkeit von
Wundern, so groß ist, dass diese tatsächlich eintreten können, weil dieser Glaube Räume öffnet.
Zum Abschluss las der Hausautor Steven Uhly aus einem noch
unveröffentlichten Manuskript über das 19. Jahrhundert in Spanien. Ich
bewunderte seinen Mut, uns, wildfremden Menschen, einfach so einen Text
vorzulesen, der noch gar nicht fertig war. Sich von uns sogar Ratschläge
einzuholen. Das Echo war einhellig: Schreib das Buch unbedingt zuende.
Es war toll, auf diese Art einen kleinen Einblick zu
bekommen, nicht nur in die Arbeit eines Verlags, sondern auch in die Art, wie
ein Schriftsteller seine Texte schreibt, recherchiert, wählt.
Wie er Schriftsteller wurde: "Da habe ich einfach mal in meinem Computer nachgeschaut, ob ich nicht doch vom Schreiben leben kann."
Und was fand er im Computer? Er kann!
Ja, an manchen Tagen hat man einfach Glück.
(c) Susanne Becker
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