Am Samstag war ich bei einer Lesung und Gespräch mit Molly Antopol, welche im Rahmen des Jüdischen Kultursommers im Jüdischen Museum in Berlin stattfand. Eine Schriftstellerin, die sich bislang nicht wirklich auf meinem Radar zeigte, die Veranstaltung rein zufällig entdeckt, und da ich mich sowieso in der Nähe befand, bin ich hin gegangen. Pure Neugierde. Bereut habe ich es nicht!
Molly Antopol hat mit ihrem Band von Erzählungen, Die Unamerikanischen, erschienen bei Hanser, vor einer Weile Furore gemacht und aus diesem Buch wurde gelesen, es gab aber auch eine ganz neue, kurze Geschichte, die sie während der Arbeit an ihrem aktuellen Roman geschrieben hat, um zwischendurch nicht das Gefühl zu haben, den Verstand zu verlieren. Romane zu schreiben ist eine recht einsame und langwierige Angelegenheit.
Die deutschen Versionen der Texte las die Schauspielerin Katharina Marie Schubert, das Gespräch führte Antopols Übersetzerin Patricia Klobusiczky kongenial.
Antopols Geschichten spielen u.a. in Israel, den USA, Russland, in u.a. den Jahren 1942, während der McCarthy-Ära (50er Jahre) und heute. Sie umspannt ein enormes Pensum an historischen Momenten und Personen, die alle irgendwie mit ihrer Familiengeschichte verankert sind, ohne diese buchstabengetreu zu erzählen. Wie Antopol es ausdrückte, geht es ihr weniger um eine historische Nacherzählung, als um eine emotionale Wahrhaftigkeit. Sie kann nicht über lebende Personen schreiben. Sie wüsste gar nicht, wie sie dies anstellen sollte. Sobald sie beginnt, zu schreiben, entwickeln sich die Personen in der Geschichte wie von selbst.
Wenn sie eine Geschichte schreibt, und dafür benötigt sie normalerweise ein bis zwei Jahre, schreibt sie diese immer wieder neu, redigiert und wechselt dabei auch wiederholt die Erzählperspektive. Grundsätzlich dauert es, bis sie die Person herauskristallisiert hat, welche dann schlussendlich die Geschichte erzählen wird. Diese Person ist häufig jene, welche im Verlauf der Geschichte die größte Schuld auf sich geladen hat und somit in irgendeiner Form die stärkste Reue empfindet. Ihre Erfahrung beim Schreiben ist es, dass diese Schuldgefühle ein großartiger und ganz natürlicher Motor für eine Geschichte sind. Es gibt, grob gesagt, zwei Möglichkeiten, wie Menschen mit Schuld umgehen, 1. sie bleiben in dem Gefühl stecken und wiederholen für den Rest ihres Lebens ein daraus resultierendes, unter Umständen traumatisches, Muster, 2. sie versuchen, aus dem dunklen Loch ihrer Erfahrung heraus zu kommen. Beide Impulse treiben eine Geschichte voran.
Programmatisch fand ich persönlich den Titel des Erzählbandes Die Unamerikanischen. Meine Freundin, mit der ich dort war, fragte mich nach der Lesung, was er wohl bedeutet. Spontan sagte ich, dass ich ihn sehr aktuell fände. Denn gerade wird von Trump und seiner Regierung ja wieder alles angeprangert und ausgegrenzt, was deren Meinung nach unamerikanisch ist. Hautfarben, Nationalitäten, Einstellungen, Verhaltensweisen, Religionen werden ohne jede Scheu angegriffen.
Die Geschichten Antopols handeln von Personen, die in vieler Hinsicht unamerikanisch sind: Kommunisten, die von McCarthy gehetzt werden, Juden, die erst nach Amerika emigrieren oder emigriert sind, und zunächst eben gar keine Amerikaner sind, sondern beispielsweise Partisanen in russischen Wäldern, die gegen die Nazis kämpfen, Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen als unamerikanisch fühlen. Unter McCarthy, der unrühmlichen Ära der Berufsverbote und schwarzen Listen, galten als unamerikanisch alle Aktivitäten, die in irgendeiner Form als kommunistisch eingeschätzt werden konnten. Dazu gehörten dann auch schnell generell amerikakritische Töne. Unzählige Kulturschaffende, auch und gerade Journalisten und Schriftsteller, erhielten damals Berufsverbote. Kunst braucht Freiheit. Und Amerika war damals alles andere als frei. Unwillkürlich taucht in meinem Kopf die Frage auf: War Amerika eigentlich irgendwann frei? Oder war diese Freiheit immer nur eine programmatisch eingesetzte Illusion? Antopol erwähnt die tiefe Verzweiflung, die unzähligen Suizide, die unter Kulturschaffenden jene amerikanische Ära gekennzeichnet hat. Ihr neuer Roman, an dem sie gerade hier in Berlin im Rahmen einer Fellowship der American Academy arbeitet, spielt in dieser Zeit des Kalten Krieges. Ihre Großeltern waren überzeugte Kommunisten. Ihr Großvater war in den USA wegen seiner politischen Überzeugungen inhaftiert. In diesem Zusammenhang erwähnte sie, dass einer ihrer absoluten Lieblingsfilme Das Leben der anderen sei. Denn er habe ihr vor Augen geführt, wie das System in den USA dem in der DDR gar nicht so unähnlich gewesen sei.
Für mich war dieser Abend in vieler Hinsicht interessant. Als leidenschaftliche Leserin weiß ich schon jetzt, dass ich ihren Erzählband unbedingt lesen möchte. Denn die Kostproben daraus waren wunderbar.
Aber er war auch in inhaltlich für mich spannend. Denn es wurde mir bewusst, wie sehr ein Land, das offiziell das Label FREIHEIT auf jeder seiner Aktionen, von denen viele brutal und kriegerisch waren und sind, stehen hat, als wäre es ein Werbeslogan, in Wahrheit diesen Grundwert missbraucht. Die USA waren das Land, in dem ich persönlich meine Freiheit fand. Ich habe es in der Tat seinerzeit als Heimat der Freiheit wahrgenommen, weil es genau dies für mich war. Subjektiv ist dieses Land vermutlich für viele Menschen ein Hort der Freiheit, ein Ort, an dem sie sie selbst sein können. Aber global gesprochen ist dieses Land möglicherweise auf dem Weg, eine Art Diktatur zu werden. Vielleicht war es das sogar schon immer, nur in einem angenehmen Gewand? Molly Antopol erzählte von einem Gespräch mit einer Verwandten, und der unvermeidlich darin auftauchenden Frage: Wann ist es so schlimm in einem Land, dass man sagt, es ist schlimm? Ist es jetzt in der Türkei schlimm? In Syrien? Seit wann ist es das und wie lange hat die Welt nicht hingeschaut. Was muss geschehen, dass die Welt hinschaut und erkennt, da hat schon längst eine Abwärtsspirale weg von Demokratie und Freiheit eingesetzt.
Antopol wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der amerikanische Präsident massiv die Pressefreiheit einschränkt.
Ein wunderbarer Abend mit einer tollen Schriftstellerin!
(c) Susanne Becker
Molly Antopol hat mit ihrem Band von Erzählungen, Die Unamerikanischen, erschienen bei Hanser, vor einer Weile Furore gemacht und aus diesem Buch wurde gelesen, es gab aber auch eine ganz neue, kurze Geschichte, die sie während der Arbeit an ihrem aktuellen Roman geschrieben hat, um zwischendurch nicht das Gefühl zu haben, den Verstand zu verlieren. Romane zu schreiben ist eine recht einsame und langwierige Angelegenheit.
Die deutschen Versionen der Texte las die Schauspielerin Katharina Marie Schubert, das Gespräch führte Antopols Übersetzerin Patricia Klobusiczky kongenial.
Antopols Geschichten spielen u.a. in Israel, den USA, Russland, in u.a. den Jahren 1942, während der McCarthy-Ära (50er Jahre) und heute. Sie umspannt ein enormes Pensum an historischen Momenten und Personen, die alle irgendwie mit ihrer Familiengeschichte verankert sind, ohne diese buchstabengetreu zu erzählen. Wie Antopol es ausdrückte, geht es ihr weniger um eine historische Nacherzählung, als um eine emotionale Wahrhaftigkeit. Sie kann nicht über lebende Personen schreiben. Sie wüsste gar nicht, wie sie dies anstellen sollte. Sobald sie beginnt, zu schreiben, entwickeln sich die Personen in der Geschichte wie von selbst.
Wenn sie eine Geschichte schreibt, und dafür benötigt sie normalerweise ein bis zwei Jahre, schreibt sie diese immer wieder neu, redigiert und wechselt dabei auch wiederholt die Erzählperspektive. Grundsätzlich dauert es, bis sie die Person herauskristallisiert hat, welche dann schlussendlich die Geschichte erzählen wird. Diese Person ist häufig jene, welche im Verlauf der Geschichte die größte Schuld auf sich geladen hat und somit in irgendeiner Form die stärkste Reue empfindet. Ihre Erfahrung beim Schreiben ist es, dass diese Schuldgefühle ein großartiger und ganz natürlicher Motor für eine Geschichte sind. Es gibt, grob gesagt, zwei Möglichkeiten, wie Menschen mit Schuld umgehen, 1. sie bleiben in dem Gefühl stecken und wiederholen für den Rest ihres Lebens ein daraus resultierendes, unter Umständen traumatisches, Muster, 2. sie versuchen, aus dem dunklen Loch ihrer Erfahrung heraus zu kommen. Beide Impulse treiben eine Geschichte voran.
Programmatisch fand ich persönlich den Titel des Erzählbandes Die Unamerikanischen. Meine Freundin, mit der ich dort war, fragte mich nach der Lesung, was er wohl bedeutet. Spontan sagte ich, dass ich ihn sehr aktuell fände. Denn gerade wird von Trump und seiner Regierung ja wieder alles angeprangert und ausgegrenzt, was deren Meinung nach unamerikanisch ist. Hautfarben, Nationalitäten, Einstellungen, Verhaltensweisen, Religionen werden ohne jede Scheu angegriffen.
Die Geschichten Antopols handeln von Personen, die in vieler Hinsicht unamerikanisch sind: Kommunisten, die von McCarthy gehetzt werden, Juden, die erst nach Amerika emigrieren oder emigriert sind, und zunächst eben gar keine Amerikaner sind, sondern beispielsweise Partisanen in russischen Wäldern, die gegen die Nazis kämpfen, Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen als unamerikanisch fühlen. Unter McCarthy, der unrühmlichen Ära der Berufsverbote und schwarzen Listen, galten als unamerikanisch alle Aktivitäten, die in irgendeiner Form als kommunistisch eingeschätzt werden konnten. Dazu gehörten dann auch schnell generell amerikakritische Töne. Unzählige Kulturschaffende, auch und gerade Journalisten und Schriftsteller, erhielten damals Berufsverbote. Kunst braucht Freiheit. Und Amerika war damals alles andere als frei. Unwillkürlich taucht in meinem Kopf die Frage auf: War Amerika eigentlich irgendwann frei? Oder war diese Freiheit immer nur eine programmatisch eingesetzte Illusion? Antopol erwähnt die tiefe Verzweiflung, die unzähligen Suizide, die unter Kulturschaffenden jene amerikanische Ära gekennzeichnet hat. Ihr neuer Roman, an dem sie gerade hier in Berlin im Rahmen einer Fellowship der American Academy arbeitet, spielt in dieser Zeit des Kalten Krieges. Ihre Großeltern waren überzeugte Kommunisten. Ihr Großvater war in den USA wegen seiner politischen Überzeugungen inhaftiert. In diesem Zusammenhang erwähnte sie, dass einer ihrer absoluten Lieblingsfilme Das Leben der anderen sei. Denn er habe ihr vor Augen geführt, wie das System in den USA dem in der DDR gar nicht so unähnlich gewesen sei.
Für mich war dieser Abend in vieler Hinsicht interessant. Als leidenschaftliche Leserin weiß ich schon jetzt, dass ich ihren Erzählband unbedingt lesen möchte. Denn die Kostproben daraus waren wunderbar.
Aber er war auch in inhaltlich für mich spannend. Denn es wurde mir bewusst, wie sehr ein Land, das offiziell das Label FREIHEIT auf jeder seiner Aktionen, von denen viele brutal und kriegerisch waren und sind, stehen hat, als wäre es ein Werbeslogan, in Wahrheit diesen Grundwert missbraucht. Die USA waren das Land, in dem ich persönlich meine Freiheit fand. Ich habe es in der Tat seinerzeit als Heimat der Freiheit wahrgenommen, weil es genau dies für mich war. Subjektiv ist dieses Land vermutlich für viele Menschen ein Hort der Freiheit, ein Ort, an dem sie sie selbst sein können. Aber global gesprochen ist dieses Land möglicherweise auf dem Weg, eine Art Diktatur zu werden. Vielleicht war es das sogar schon immer, nur in einem angenehmen Gewand? Molly Antopol erzählte von einem Gespräch mit einer Verwandten, und der unvermeidlich darin auftauchenden Frage: Wann ist es so schlimm in einem Land, dass man sagt, es ist schlimm? Ist es jetzt in der Türkei schlimm? In Syrien? Seit wann ist es das und wie lange hat die Welt nicht hingeschaut. Was muss geschehen, dass die Welt hinschaut und erkennt, da hat schon längst eine Abwärtsspirale weg von Demokratie und Freiheit eingesetzt.
Antopol wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der amerikanische Präsident massiv die Pressefreiheit einschränkt.
Ein wunderbarer Abend mit einer tollen Schriftstellerin!
(c) Susanne Becker
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