Sechzehn Wörter erinnert die Ich-Erzählerin Mona aus dem
Iranischen. Sechzehn Wörter, die sie nie ins Deutsche übersetzt hat, weil sie mit ihrer iranischen Seite so eng verknüpft waren, dass es für sie kein
deutsches Wort geben konnte. Allerdings haben diese Sechzehn Wörter auch geholfen, eine Unwahrheit zu verbergen. Sie beginnt, die Wörter zu übersetzen und somit zu entwaffnen.
Der wunderbare Roman Sechzehn Wörter von Nava Ebrahimi erzählt
anhand dieser Sechzehn Wörter die Geschichte Monas und ihrer Familie. Die junge
Frau, in Teheran geboren, ist schon als kleines Kind mit ihrer Mutter nach Köln gegangen, nachdem diese sich vom Vater hatte scheiden
lassen. Dreizehn Jahre alt war die Mutter gewesen, als sie dem Vater
verheiratet wurde von ihrer eigenen Mutter. Immer wieder muss Mona daran denken, wie der 20 Jahre ältere es über sich bringen konnte, ein Kind zu heiraten. Eine Tatsache, die sie dem Vater für immer entfremdet.
Die Geschichte setzt an mit eben jener Großmutter,
Mamman-Bozorg, die die Ehe arrangiert hat und gerade in Teheran verstorben ist. Mona und ihre Mutter machen sich auf den Weg von Köln nach Teheran, um die Großmutter zu beerdigen. Eigentlich hatte Mona gar nicht vor, mitzufahren, dann wollte sie nur ein Wochenende bleiben. Aber dann meldet sich Ramin, mit dem sie
jedesmal in Teheran eine Affäre hat, und lädt sie auf eine Reise nach Bam ein.
Die Mutter entschließt sich, die beiden zu begleiten, denn, wie Mona erfährt, hat sie dort am Anfang ihrer Ehe mit dem viel älteren Mann gelebt und Bam ist Monas Geburtsort. Sie ist dort mitten im Sommer in einem Zelt zur Welt gekommen.
Entlang der Perlenschnur der Sechzehn Wörter sowie der Reise
durch den Iran kommen die Erinnerungen und schafft Mona es, ein lange gehütetes
und für ihre Identität entscheidendes Familiengeheimnis zu entwirren.
Das Buch ist einfach gut geschrieben. Ein Pageturner, wie
man vielleicht sagen würde, aber niemals oberflächlich. Nava Ebrahimi versteht
es, eine Geschichte aufzubauen und konsequent zuende zu schreiben. Sie versteht es, einem all die unterschiedlichen Charaktere wunderbar nahe zu bringen. Manchmal fiel
mir bei der Lektüre das Wort „solide“ ein, und das stimmt. „Sechzehn Wörter“
ist ein sehr solide gearbeiteter, richtig guter Roman ohne Schnickschnack. Eine
tolle Geschichte schnurgerade und gut erzählt.
Ich habe instinktiv danach gegriffen, zunächst eigentlich,
weil mich Literatur und Filme, die mit dem Iran zu tun haben, immer interessieren. Der Iran ist für mich ein Sehnsuchtsland. Ich würde unglaublich
gerne einmal dorthin reisen. Aber dann hat mich die Geschichte dieser jungen
Frau auch unabhängig von meiner Faszination für den Iran gepackt.
Eindrücklich vermittelt einem die Autorin, wie schwierig es
ist, sein Land zu verlassen, in einem fremden Land Wurzeln zu schlagen, selbst für jene, die als Kinder nach Deutschland kommen. Obwohl dies nur
unterschwellig das Thema ist, schwingt es doch die ganze Zeit mit, diese
Fremdheit, die Deutschland für eine Iranerin ausmacht. Oder ganz generell: wie schwierig es ist, ein Leben im Exil zu führen. Das Buch ist somit unglaublich aktuell. Spannend finde ich es
immer, das Deutschland, das ich als Deutsche kennengelernt habe, also mein Heimatland, mit den Augen
von Menschen sehen zu können, die es anders kennen gelernt haben. Dass das, was wir normal finden, andere vollkommen irritieren kann. Ich finde dies immer wieder eine entwaffnende Erkenntnis, die Bescheidenheit vermittelt. Allen Illusionen zum Trotz sind wir nicht der Nabel der Welt oder die Definitionsgröße für Normalität.
Ich danke dem btbVerlag für das Rezensionsexemplar.
(c) Susanne Becker
Ich danke dem btbVerlag für das Rezensionsexemplar.
(c) Susanne Becker
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