„Das Geheimnis der Vergebung besteht jedoch darin, dass sie einen
Ort entstehen lässt, tief im Einzelnen verwurzelt, an dem kein anderer Macht
besitzt, und wenn man einmal dorthin vordringt, wo andere Menschen nichts
bedeuten, findet man eine Stärke, die einem keiner nehmen kann, und diese
Stärke macht es möglich, den anderen mit Hilfe von Vergebung in die Knie zu
zwingen.“
Knausgards Buch Im Herbst ist voll mit solchen
Erkenntnissen. Meist schüttele ich den Kopf und sage: nein, nein, das stimmt so
nicht. Seltener nicke ich und stimme ihm zu. Das oben genannte Zitat ist ein
wunderbares Beispiel dafür, was Knausgard mit dem Leser macht. Er schleudert
ihm seine Weltsicht entgegen. Dabei sind die Gegenstände seiner Welt äußerst
vielschichtig: in einem Absatz schreibt er noch über Erbrochenes, im nächsten
schon über Vergebung, Apfelbäume, Thermosflaschen oder Krieg. Man findet die übliche
Dichte an Themen, die so typisch für Knausgards Bücher ist. Er schreibt im
Grunde über alles, alles interessiert ihn. Sein Spektrum reicht von Pisse bis
zu Flaubert.
Im Herbst ist ein Buch, das Knausgard schrieb, als er und
seine Frau Linda ihr viertes Kind, die Tochter Anne, erwarteten. Es ist ein
Buch, geschrieben für dieses Kind, das im Leib der Mutter heran wächst, während
der Vater draußen das tut, worin er gut ist: er sammelt die Welt für dieses Wesen
und schildert sie mit Worten. Seine Welt. Seine Weltsicht. Spürbar auf jeder
Seite die Liebe zu seiner Familie, den Kindern, dem kleinen Wesen, das bald zu
ihnen stoßen wird. Spürbar auch die Neugierde, wer da kommen wird und die
Freude, ein weiteres Mitglied in die Familie aufnehmen zu können. Seine Freude überträgt sich bei mir, der Leserin, in eine Freude darüber, dass jemand so akribisch diese unsere Welt anschaut, da ist auch sehr viel Ehrfurcht, und sich die Mühe macht, alles, was ihm dazu einfällt, in Worte zu fassen. Für seine Tochter Anne, aber natürlich auch für mich und für jeden anderen, der die Welt durch diese Linse aufmerksam betrachten möchte.
Man muss seiner Sicht auf die Welt nicht zustimmen. Ich tue
es in vielen Fällen nicht. Aber wieder, wie eigentlich bei allen Knausgard –
Büchern, bleibt die Schönheit dieses Unterfangens an sich, die Zartheit, der
Mut. Dass da jemand sitzt, in seinem kleinen Schreibkämmerlein, und die Welt
einfängt, sie versucht, so zu beschreiben, dass da ein Sinn, eine Liebe
erkennbar werden, das ist einfach schön.
Viele der Essays sind gar nicht besonders tiefsinnig, es sind kleine Momentaufnahmen, dennoch regten mich sehr viele zum Nachdenken an, auch zum eigenen Schreiben. Vor allem auch dann, wenn ich nicht seiner Meinung bin, wenn ich die Welt anders sehe. Dabei wirkt das Büchlein so mühelos dahin geschrieben. Als läse man im Grunde in einem Notizblock von ihm.
Mein Lieblingsessay ist der über die Knöpfe. Er erinnerte mich sofort an meine Kindheit und daran, wie meine Mutter tagtäglich an der Nähmaschine saß und selbstverständlich auch eine große Dose mit vielen, verschiedenen Knöpfen besaß. Der Essay erinnerte mich daran, wie schön es ist, Dinge zu bewahren, die man besitzt.
"Meine Kinder wachsen ohne eine solche Knopfschachtel auf, sie haben ihre Eltern niemals beim Nähen gesehen, denn wenn sich bei uns ein Knopf löst, sortieren wir das Kleidungsstück aus und kaufen ein neues. Das widerstrebt mir....Schätze ich Genügsamkeit und Armut mehr als Überfluss? Ja, in gewisser Weise tue ich das wohl."
Viele der Essays sind gar nicht besonders tiefsinnig, es sind kleine Momentaufnahmen, dennoch regten mich sehr viele zum Nachdenken an, auch zum eigenen Schreiben. Vor allem auch dann, wenn ich nicht seiner Meinung bin, wenn ich die Welt anders sehe. Dabei wirkt das Büchlein so mühelos dahin geschrieben. Als läse man im Grunde in einem Notizblock von ihm.
Mein Lieblingsessay ist der über die Knöpfe. Er erinnerte mich sofort an meine Kindheit und daran, wie meine Mutter tagtäglich an der Nähmaschine saß und selbstverständlich auch eine große Dose mit vielen, verschiedenen Knöpfen besaß. Der Essay erinnerte mich daran, wie schön es ist, Dinge zu bewahren, die man besitzt.
"Meine Kinder wachsen ohne eine solche Knopfschachtel auf, sie haben ihre Eltern niemals beim Nähen gesehen, denn wenn sich bei uns ein Knopf löst, sortieren wir das Kleidungsstück aus und kaufen ein neues. Das widerstrebt mir....Schätze ich Genügsamkeit und Armut mehr als Überfluss? Ja, in gewisser Weise tue ich das wohl."
Dieses Buch, der erste Band aus der Jahreszeiten-Serie, ist ein wunderbarer Einstieg in das Werk
Knausgards. Denn die kleinen Essays sind nie länger als 2-3 Seiten, das Buch
insgesamt hat 280 Seiten. An diesem Buch kann man erproben, wie man es mit
Knausgard hält und dann zu den dicken Wälzern weiter ziehen, falls man sich
verliebt hat. Oder aber sagen: Okay, dieser Knausgard ist nichts für mich.
Das Buch enthält Bilder der norwegischen Künstlerin VanessaBaird, welche es in meinen Augen zu einem kleinen Schatzstück machen.
Herzlich danke ich dem Luchterhand Verlag für das Rezensionsexemplar.
(c) Susanne Becker
Herzlich danke ich dem Luchterhand Verlag für das Rezensionsexemplar.
(c) Susanne Becker
Da werde ich mal reinlesen, um mich zu entscheiden...Danke für die Besprechung!
AntwortenLöschenIch mag Knausgard, und dieses Buch ist, glaube ich, ein guter Test, um festzustellen, ob man ihn auch mag ;-) stärker sind m.M. nach in jedem Fall die Lieben Leben usw. Bücher
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