Direkt zum Hauptbereich

Assaf Gavron - Achtzehn Hiebe

"Ich spürte, dass sie mich ansah, ein intensiver Blick trotz der doppelten Filterung durch Sonnenbrille und Spiegel, und dann zuckten ihre zinnoberrot geschminkten Lippen, die etwas zu voll und zu jung für ihr Alter schienen, und mit einem halben Lächeln sagte sie: "Zum Trumpeldorfriedhof." Ich schaltete in Drive."



Der Taxifahrer Eitan Einoch fährt die fünfundachtzigjährige Lotta Perl an einem ganz normalen Tag zu einer Beerdigung, aber von diesem Moment an verändert sich vieles in seinem Leben. Es wird aufregend, spannend und unversehens findet er sich in der Rolle eines Detektivs wider.
Dieser Roman, der im heutigen Tel Aviv spielt, bezieht einen großen Teil seiner Spannung aus der Vergangenheit, aus der Mandatszeit, als Israel noch nicht Israel war, als Palästina noch von den Engländern besetzt/verwaltet wurde und Lotta Perl und der Engländer, zu dessen Beerdigung sie unterwegs ist, junge Leute und ein Liebespaar waren. Der Roman erzählt von einer Zeit, von einem historischen Ereignis, welches auch in Israel nicht in den Geschichtsbüchern steht, das aber dennoch für die Staatsgründung vielleicht mit entscheidend war.
Achtzehn Hiebe auf den Hintern bekam ein jüdischer Widerstandskämpfer als Strafe von Engländern verabreicht, weil er noch zu jung für die Todesstrafe war. Diese Strafe erregte die Gemüter der Juden mehr, als die Todesstrafe. Englische Soldaten wurden daraufhin entführt und bekamen ebenfalls achtzehn Hiebe. Im Endeffekt führte diese Revolte zum Abzug der Engländer aus Palästina.

Die Geschichte wird von Assaf Gavron in eine spannende Kriminalhandlung verpackt, in der es Leichen gibt und Rätsel, Lügen und Geheimnisse. Ein Pageturner in gewisser Weise.
Lotta Perl erzähl Eitan ihre Lebensgeschichte und berichtet von der ganz großen Liebe, die alles andere unwichtig macht. Die Liebe ist der Sinn des Lebens.
Sie erzählt von Eddie O'LEary, ihrer großen Liebe und den beiden Freunden Ruti Spielberg und James Wilshere.
Vom Tag der Beerdigung an soll Eitan sie täglich zum Grab fahren. Aber eines Tages steht sie nicht vor dem Altersheim. Als er sie in ihrem Zimmer suchen will, findet Eitan die erste Leiche.

Das Buch, das sich zusehends in einen Detektivroman verwandelt, wird mit großem Tempo erzählt und lässt sich nur schwer zur Seite legen. Dennoch befriedigte es mich literarisch nicht. Ich fand die Sprache an vielen Stellen plump und auch Übersetzungen einzelner Worte irritierten mich.

Empfehlenswert finde ich es als Stimmungsbild aus dem heutigen Israel und über seine Entstehung. Während der Lektüre sehnte ich mich nicht selten an den Strand oder in die Straßen Tel Avivs.
Im Endeffekt war ich aber etwas enttäuscht. Denn ein Buch, das die Liebe als Sinn des Lebens deklariert und einen wichtigen Vorfall aus der Vergangenheit Israels zum Thema hat, hätte in meiner Vorstellung tiefer und ernsthafter sein sollen.

Achtzehn Hiebe ist letztlich ein locker-flockiger Unterhaltungsroman, und als solcher wirklich gelungen. Er verwendet Klischees, vor allen Dingen auch Geschlechterklischees, die eben in ein Unterhaltungsbuch ohne Anspruch passen. Aber für mich war die Diskrepanz zwischen Thema und Geschichte zu groß. Ich hatte mir mehr erwartet. Auch hatte ich Schwierigkeiten, manche der Entwicklungen wirklich emotional nachzuvollziehen. Sie erschienen mir konstruiert und keinesfalls logisch.

Ich danke Luchterhand sehr herzlich für das Rezensionsexemplar.

(c) Susanne Becker

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer ...

Gedanken zu dem Film Corsage von Marie Kreutzer mit Vicky Krieps

  When she was home, she was a swan When she was out, she was a tiger. aus dem Song: She was von Camille   (s.u.) Ich kenne so viele Frauen, die sich ein Leben lang nicht finden, die gar nicht dazu kommen, nach sich zu suchen, die sich verlieren in den Rollen, die die Welt ihnen abverlangt.  Es gibt so viele Orte, an denen Frauen nicht den Schimmer einer Wahl haben, zu entscheiden, wie sie leben, wer sie sein möchten. Diese Orte werden mehr. Orte, an denen Frauen einmal ein wenig freier waren, gehen uns wieder verloren. Die meisten Frauen leben gefährlich. Gefährlicher als Soldaten in Kriegen.  Aber dennoch hatte ich kein Mitleid mit der Kaiserin, den ganzen Film über nicht ein einziges Mal, weil sie eigentlich nicht als sympathische Person gezeigt wurde. Was ich gut fand. Denn welche Frau kann sich etwas davon kaufen, dass sie bemitleidet wird? Elisabeth ist in diesem Film selbstzentriert, rücksichtslos, narzisstisch. Besessen von ihrem Körper, seinem Gew...

Buch der Woche - Wider die Natur von Tomas Espedal

"Er blies seine Trompete, und mich traf der Gedanke, wie falsch ich lebte, so schwach und feige, so still und vorsichtig; ich wollte werden wie dieser Mann mit Hut und Poncho, ich wollte ein aufrichtiger, kompromissloser Mensch werden, ich wollte so schreiben, wie er sang, ich wollte ein schwieriger, ehrlicher Mann sein." In seinem Buch Wider die Natur berichtet Tomas Espedal von der Beziehung eines älteren Mannes, eines Mannes von 48 Jahren, mit einer jungen Frau, einer Frau von Anfang 20. In der Öffentlichkeit werden die beiden nicht selten für Vater und Tochter gehalten. Sie schämen sich, in der Öffentlichkeit zu sein, wegen des Altersunterschiedes, der wider die Natur zu sein scheint. Sie ziehen sich in ihr Haus zurück. Dort ist der Mann, aus dessen alleiniger Sicht alles geschrieben wird, so glücklich wie noch nie zuvor. Er liebt, wie noch nie zuvor. Nach sechs Jahren verlässt die junge Frau ihn. Für sie ist es die erste wirkliche Beziehung und sie möchte jetzt mehr ...