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Meine Lieblingsbücher 2014

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In Arbeit ist ein Beitrag, der eine Reihe von Lieblings... whatever von mir enthält. Den mache ich seitdem es den Blog gibt (2012 und 2013) und er erscheint immer am 1. Januar. Er enthält regelmäßig auch meine Lieblingsbücher des Jahres. Inspiriert durch andere Blogger und Facebookposts, u.a. von Buzzaldrins, möchte ich aber auch einen kurzen Rückblick ausschließlich auf meine persönlichen Lesehighlights des letzten Jahres werfen. Es überrascht mich schon jetzt, dass für meine Verhältnisse viele deutsche Bücher darunter sind. Ich bin seit Jahren eher eine anglophile Leserin und verschlinge viele viele viele amerikanische Bücher im Original. Aber dieses Jahr haben mich die deutschen Autorinnen noch mehr gepackt als schon im letzten Jahr, wo auch einige unter meinen Highlights waren.

Sich die besten Bücher, die man im Laufe eines Jahres gelesen hat, noch einmal konzentriert vor Augen zu halten, ist ein bisschen, wie das ganze Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Die Jahre bestehen nicht so sehr aus Tagen, als aus einer Perlenkette aus Büchern, an denen man sich durch die Zeit bewegt.

Das letzte Land meiner Freundin Svenja Leiber habe ich mir perfide vom Verlag erschlichen, der es mir eigentlich erst nicht schicken wollte, dann aber doch. Mein Blog wird nicht häufig genug frequentiert, weshalb er für die Verlage im Grunde nicht interessant genug ist. Ich hätte mir das Buch natürlich auch gekauft! Für mich ist Svenja eine der ganz großen deutschen Schriftstellerinnen.
Die Geschichte eines sehr begabten Geigers, der das Dritte Reich überlebt und der doch so viel verliert, ist intelligent, berührend und wunderschön.Wobei Svenjas Bücher für mich immer wieder auch durch ihre knappe, konzentrierte Sprache heraus ragen. Sie erschafft Welten mit einem halben Satz. Na klar kann man die gleiche Welt auch mit zwanzig Seiten schildern, und auch das kann wunderschön sein. Aber diese Knappheit, auch die oft ungewöhnliche Wortwahl haben etwas verzauberndes und auch mutiges. In einer Welt des Zugetextetwerdens, der ständigen verbalen Berieselung, ist diese Knappheit erholsam.
Zu Weihnachten bekam ich Das Ungeheuer von Terézia Mora geschenkt. Es wurde schlagartig mein zweites Lieblingsbuch, und dies hatte verschiedene Gründe: unter anderem liebe ich die Geschichte, der Aufbau, zwei Bücher sozusagen gleichzeitig in einem, die Notwendigkeit, immer wieder hin- und her zu blättern, hat mich gefangen genommen. Ich spürte beim Lesen die Konzentration der Autorin, um diese komplexe Welt erschaffen zu können und in eine solche Konzentration kann ich mich geradezu verlieben.
Ich finde die Charaktere nicht sympathisch in dem Sinne, dass ich sie in meinem Leben dauerhaft angesiedelt sehen möchte, aber doch in dem Sinne, dass ich nicht genug von ihnen bekommen kann. Last but not least träume ich seit der Lektüre dieses Buches davon, einen Roadtrip durch Russland, Ost- und Südosteuropa zu unternehmen (wenn möglich, ohne Asche von irgendwem im Kofferraum, aber gerne mit sehr viel Zeit).
Ehre von Elif Shafak kaufte ich mir am Indiebookday. Ich hatte im Netz, bei anderen Bloggern, soviel darüber gelesen, dass ich immer gespannter darauf wurde. Außerdem wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon, dass im Jahre 2014 meine allererste Reise in die Türkei anstehen würde, da war es nur folgerichtig, mich in dieses Land auch literarisch zu begeben.Die Geschichte eines Ehrenmordes, einer Familie über drei Generationen, eine Geschichte von einer Auswanderung und auch eine Geschichte davon, was Frauen widerfahren kann dort, wo sie nicht respektiert werden. Das Buch hat mich vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt. Ich habe es mittlerweile schon mehreren Freundinnen geschenkt und sie alle waren, wie ich, begeistert!
Hateship, Friendship, Courtship, Loveship, Marriage von Alice Munro war ein Geburtstagsgeschenk im Januar gewesen. Doch erst im Sommer, als ich zwei Wochen im Garten war, kam ich dazu, es zu lesen. Was soll ich sagen? Alice Munro ist eine Meisterin: Der Kurzgeschichte, der Schilderung des Menschen, der Alltäglichkeiten, die letztendlich ein Panorama des Menschlichen bilden und eine Tiefe enthalten, die nur der wirklich geübte Seher erkennen kann. Jede einzelne Geschichte ließ mich atemlos zurück, im Grunde süchtig nach mehr. Die in den Geschichten erzählten Schicksale sind teilweise so spannend, dass ich noch heute, ein halbes Jahr nach der Lektüre, an manche Charaktere denke und mir auszumalen versuche, wie es wohl weiter gegangen sein könnte, ihr Leben.(Dieses Buch ist auch auf Deutsch erschienen, wo es Himmel und Hölle heißt, ein Titel, der den Geschichten nur oberflächlich gerecht wird)
Vor dem Fest von Sasa Stanisic habe ich einfach so verschlungen - ich wusste schon lange, dass ich es lesen wollte, weil es ja auch so eines der Bücher war, an denen man, sofern man literarisch im Netz unterwegs ist, nicht vorbei kam. Alle haben es gelesen, alle liebten es. Ich war ein wenig skeptisch. Wenn schon alle ein Buch lieben, kann es dann noch gut sein? ist eine Frage, die ich mir immer wieder stelle. Aber dann ging ich eines Tages rein zufällig in die Buchhandlung am Moritzplatz und sah, dass er dort lesen würde. Ich gebe zu, zu diesem Zeitpunkt war mein Wunsch, das Buch zu lesen, schon so überdimensioniert, dass ich es ständig verschenkte, um meinen eigenen Wunsch danach zu kaschieren. Circa drei Freundinnen bekamen es, immer mit dem Zusatz "leih es mir bitte, wenn du es durch hast" von mir geschenkt.
Als es eine endlich durch hatte, stürzte ich mich sofort darauf. Ich mochte das Buch sehr, aber es hat mich ganz zum Schluss irgendwie nicht so überzeugt, wie die anderen hier erwähnten Bücher. Die Geschichte war nicht fertig, kann es vielleicht auch nie sein und kam mir letztlich vor, wie ein Schlaglicht auf die Landschaft, anhand einzelner Charaktere, aber nichts davon zuende gebracht. Es war am Ende nicht ganz rund, wenn man das so sagen kann. Dennoch war es eines meiner Lieblingsbücher, da es ein paar meiner absoluten Lieblingsstellen des Jahres enthält, und auch weil Sasa Stanisic einfach großartig ist und die Lesung eines meiner Highlights des Jahres war und zum Schluss: ich liebe die Uckermark, ich habe alles wieder erkannt, ich wohne praktisch dort, da kommt man nicht darum herum, das Buch auch irgendwie zu lieben. Das Lesen dieses Buches war für mich wie Nachhause kommen.
The Gathering von Anne Enright habe ich erst kürzlich gelesen und es hat mich sofort gefangen genommen. Die Sprache, die Geschichte, der Tiefgang. Eine Familiengeschichte, in Irland, unübersichtlich viele Geschwister, die eine Schwester, Veronica, mittlerweile wohl situiert verheiratet und selbst Mutter, muss ihrer eigenen Mutter den Tod ihres Bruders mitteilen. Mit diesem Bruder, der Selbstmord verübt hat, war Veronica besonders eng verbunden. Die beiden teilten ein Geheimnis. Etwas schreckliches ist geschehen im Haus der Großmutter, wo sie einen gewissen Zeitraum ihrer Kindheit verbrachten, als die Mutter durch zu viele kleinere Geschwister keine Energie mehr für sie hatte. Während Veronica versucht, den Selbstmord des Bruders zu verarbeiten, reist sie immer wieder in die Vergangenheit und stellt ihre Gegenwart in Frage. Phantastisches Buch, das auch auf Deutsch erschienen ist. Dort heißt es Das Familientreffen.
Jetzt lese ich gerade Der Turm von Uwe Tellkamp. Ich hatte dieses Buch bereits vor zwei oder drei Jahren zu Weihnachten bekommen, nachdem ich es mir sehr gewünscht hatte. Dann lag es neben meinem Bett und immer wieder, wenn es im Stapel der ungelesenen Bücher nach vorne gerutscht war, ordnete ich es erneut weit hinten ein. Da war eine Abneigung in mir, es zu lesen und ich glaube, sie hatte mit all dem Negativen zu tun, das ich über das Buch gehört hatte. Komplizierte Sätze, angeberischer Stil, aufgeblasene Sprache, unnötige Eitelkeiten ... Dann las ich endlich doch den ersten Satz und war sofort hinein gezogen in eine Welt, die mir unglaublich fremd und doch vertraut war. So deutsch. Beklemmend, den Atem verschlagend, wir wissen, wie es ausgeht, wir wissen, irgendwie,  was geschehen wird, und doch die Unvermeidlichkeit, mit der die einzelnen Protagonisten, Bürger, die die Bildung lieben, die in Dresden leben (nur so am Rande: das Sächsische in Schriftform gebracht zu sehen, ist eines der Highlights für mich!), auf die Wende zu laufen, was ihnen noch alles geschieht, die Enge, diese Unfreiheit - das ganze Buch ist für mich eine Reise in eine Welt, die ich bislang so nicht kannte, ein Panoramablick, und ich liebe die Personen. Christian, Meno, Judith Schevola, Barbara (enöff) .... wenn es nur Eitelkeit benötigte, um solche Bücher zu fabrizieren, dann wundert es mich ein wenig, dass wir davon nicht mehr zu lesen bekommen. Für mich ist es ein großes Buch und ich genieße jeden einzelnen Satz!

Noch ist das Jahr nicht zuende. Ich rechne damit, den Turm noch vorher zu beenden und eventuell Jenny Offills Dept. of Speculation oder Nino Haratischwilis Das achte Leben zu beginnen.
Also, wer weiß, vielleicht schafft es noch ein Buch auf meine Liste.
Euch allen noch einen wunderbaren letzten Weihnachtstag und eine ruhige und lesereiche letzte Woche 2014!
Alles Liebe!

©Susanne Becker

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