Gestern habe ich eine Lesung von Elif Shafak im Rahmen des internationalen literaturfestivals berlin im Haus der Berliner Festspiele besucht.
Ich habe bereits einige ihrer Bücher gelesen und weiß, dass sie eine sehr kluge, beeindruckende Frau ist. Umso erstaunter bin ich, als sie die Bühne betritt und ich sehe, wie überaus bescheiden und zurückhaltend sie erscheint, nicht wie der Star der türksichen Literaturszene, der sie ist. Leise und unaufdringlich bringt sie ihre Ansichten zu Gehör, dabei immer freundlich, niemals wütend oder aggressiv. Das hat mich sehr beeindruckt, wie wenig rechthaberisch sie ist. Diese Haltung macht es natürlich vor allem jenen, die anderer Meinung sind als sie, viel leichter, ihr zuzuhören.
An einem Punkt sagte sie, dass sie ihre Bücher für viel weiser und mutiger hält als sich selbst, da sie die Charaktere in ihnen alles sagen lässt, was sie vielleicht selbst, beispielsweise in einem journalistischen Text, nicht so offen zum Ausdruck brächte. Sie sagte, dass sie lügen würde, würde sie behaupten, in journalistischen Texten offen alles zu schreiben, was sie denkt. Viel zu bewusst sei ihr, und sicher allen Schreibenden in der Türkei, welche Konsequenzen ein falscher Satz haben könne.
Immer wieder wies sie während des Abends darauf hin, wie wichtig freie Meinungsäußerung sei für eine funktionierende Demokratie, und dass dieses Gut in der Türkei immer stärker beschnitten werde.
Für ihren Mut, die Probleme der Türkei in ihren Romanen auszusprechen, wurde sie bereits einmal wegen "Beleidigung des Türkentums" angezeigt. Sie hätte dafür, wäre es hart auf hart gekommen, bis zu drei Jahren ins Gefängnis kommen können. Gott sei Dank wurde sie frei gesprochen. Aber eine solche Anzeige, eine daraus resultierende Gefängnisstrafe ist natürlich eine reale Bedrohung für jeden Schreibenden in der Türkei.
Der Bastard von Istanbul brachte Elif Shafak also fast ins Gefängnis, weil sie darin über den Genozid an den Armeniern schreibt und diesen auch so nennt.
Ein großartiger Roman, den ich vor kurzem las. Es ist die Geschichte zweier Familien, deren Schicksale viel stärker miteinander verwoben sind, als es ihnen bewusst ist.
Die eine Familie ist armenischen Ursprungs und lebt mittlerweile in Kalifornien. Die andere Familie ist türkisch und lebt in Istanbul.
In beiden Familien dominieren starke Frauen, viele, sehr viele starke Frauen. Das ist das erste, was mich an dem Buch sogleich gepackt hat: diese Fülle an wunderbaren Frauen, armenisch und türkisch, die alle eine laute Stimme bekommen. Es fängt gleich zu Beginn des Buches an mit Zeliha, die durch die verregneten Straßen der Stadt läuft, auf dem Weg zu einem Arzt, wo sie eine Abtreibung vornehmen lassen möchte. Dies geschieht dann aber schlussendlich doch nicht. Zeliha bekommt ihr Kind und verschweigt konsequent den Vater. Das Kind wächst mit Zeliha im Haus der Familie auf, in dem nur Frauen leben: Zelihas Mutter sowie ihre Schwestern. Dieses Kind, Asya Kazanci, wächst in einem Universum ziemlich verrückter Frauen auf, in welchem ihre Mutter nur wie eine der zahlreichen Tanten erscheint und eine wirkliche Mutter-Tochterbeziehung sich nicht bildet. Asya ist nicht glücklich.
Zur gleichen wächst in den USA Armanoush Tchakhmakhchian heran, ihr Vater ist Armenier, die Mutter Amerikanerin. Die Eltern haben sich getrennt, als Armanoush noch ein Baby war. Sie verbringt nun die Hälfte der Zeit in Arizona bei der Mutter und die andere Hälfte in Kalifornien bei der Familie des Vaters. Ihre Großmutter, die den Genozid überlebte, kam als ganz junge Frau in die USA, sie ist eine der stärksten Figuren des Buches und ihre Geschichte ist atemberaubend.
Irgendwann beschließt Armanoush, die von ihrer Mutter konsequent Amy genannt wird, nach Istanbul zu gehen, um die Wurzeln ihrer Familie, die alte Heimat ihrer armenischen Großmutter, kennen zu lernen.
Armanoushs Mutter hatte bereits kurz nach der Trennung von ihrem Vater im Supermarkt einen jungen türkischen Mann kennen gelernt, der ihr zunächst vor allem deswegen als perfektes Ziel ihrer Begierde erschien, um mit dieser neuen Beziehung die armenische Familie zu brüskieren. Später heiraten die beiden und werden trotz der nicht ganz kosheren Anfangsmotivation ein recht glückliches Paar.
Armanoush nimmt hinter dem Rücken ihrer Eltern mit der Familie dieses türkischen Stiefvaters Kontakt auf und fliegt für eine Woche heimlich nach Istanbul, wo sie von der Familie mit offenen Armen, von Asya zunächst widerstrebend empfangen wird. Doch schon bald werden die beiden Freundinnen. In Istanbul lernt Armanoush, wie viele Ähnlichkeiten es gibt zwischen Türken und Armeniern, und dass man die beiden Völker trotz aller schmerzlichen Erlebnisse gar nicht trennen kann.
Im Laufe der Geschichte werden Geheimnisse und Verbindungen offenbart, als Leserin war ich so manches Mal über die Wendung überrascht, immer wieder staunte ich über die Fabulierkraft der Autorin, aber auch über die Unglaublichkeit des Schicksals.
Der Bastard von Istanbul ist ein intensivers, sehr reiches Buch, mit starken weiblichen Charakteren und klaren politischen Ansichten, die in diesem Kunstwerk zum Ausdruck gebracht werden. Es erzählt eine spannende und farbenreiche Geschichte, die vom ersten bis zum letzten Satz den Leser für sich einnehmen kann.
In ihrem Vorwort zu diesem Buch schrieb die Autorin: "Ich bin der festen Überzeugung, dass sich kein Geschichtenerzähler aus der Türkei (oder Pakistan oder Ägypten oder irgendeinem anderen Land, in dem eine reife Dimokratie noch eine Idealvorstellung ist) den Luxus erlauben kann, apolitisch zu sein."
Auch gestern abend hat sie an vielen Stellen des Gesprächs mit Gabriele von Arnim, die auch ins Deutsche übersetzte, gezeigt, dass sie eine sehr politische Autorin ist. Mehrfach wies sie, wie schon erwähnt, darauf hin, wie wichtig Redefreiheit und auch Freiheit des Denkens für eine wirkliche Demokratie sind, und dass diese Werte in der heutigen Türkei immer weiter beschnitten werden, womit eben auch wahre Kreativität beschnitten wird.
Sie stellte gestern dem Publikum ihren neuesten Roman Der Architekt des Sultans vor. Er handelt vom größten Architekten des Osmanischen Reichs, einem Elefanten und einem Jungen, der der Lehrling dieses Architekten wird. Dieser Junge erzählt die Geschichte in der Rückschau, als sehr alter Mann und sie beginnt wie folgt: "Von allen Menschen, die Gott erschuf und Schaitan auf Abwege führte, haben nur wenige den Mittelpunkt des Universums entdeckt, wo es weder Gut noch Böse gibt, keine Vergangenheit und keine Zukunft, kein »Ich« und kein »Du«, keinen Krieg und keinen Grund, Krieg zu führen, sondern nur ein unendliches Meer der Ruhe. Was diese wenigen dort fanden, war so schön, dass sie die Gabe des Sprechens verloren."
Der Sultan verlangte vom Architekten Sinan, er solle eine Moschee mit einer Kuppel bauen, die größer sei, als die Kuppel der Hagia Sophia, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Islam mächtiger sei als das Christentum. Der Architekt Sinan aber wusste, dass es eine Kuppel gibt, die über uns allen sich wölbt und unter der alle Zuflucht finden: Juden und Muslime, Christen und Buddhisten, alle! Es gibt keine Trennung und Konkurrenz ist sinnlos, der Mittelpunkt des Universums steht jedem offen.
Elif Shafak las aus dem englischen Original, die Schauspielerin Naomi Krauss las aus der deutschen Übersetzung und das war ein besonderer Genuss!
Elif Shafak, die nicht in der Türkei, sondern u.a. in Spanien und Amman aufwuchs, schreibt seit etwa dreizehn Jahren ihre Bücher auf Englisch. Sie wird aus vielen Gründen in der Türkei angefeindet, auch aus diesem. Es gibt Leute, die nennen sie eine Betrügerin an der türkischen Sprache. Dennoch ist sie eine der meist gelesenen Autorinnen in der Türkei. Ihre Leser sind zu ca. 80 bis 85 % weiblich, und kommen aus allen Schichten, von allen politischen Seiten. Sie erzählte, wie sehr sie sich freut, wenn auf ihren Lesungen Frauen nebeneinander sitzen, die normalerweise kein Wort miteinander wechseln würden, die noch nicht einmal ein Glas Wasser teilen würden,weil sie aus vollkommen verschiedenen Schichten, Religionen, Lagern stammen, und doch teilen sie alle diese Lektüre. Da kommt sie ihrem Ziel, Brücken zu bauen, dazu beizutragen, dass die Türkei ein vielfältiges, ein offenes, ein tolerantes Land wird und bleibt, vor allem auch für Frauen, ein kleines Stückchen näher.
Sie schreibt in Englisch, weil sie sich in dieser Sprache frei fühlt, und in vieler Hinsicht den Problemen ihrer Heimat unbefangen näher treten kann. Und wie sie selber sagt: Warum sollte sie nicht in Englisch schreiben? Warum sollte nicht jeder Mensch tun dürfen, was er kann und was er will, zeigen, was in ihm steckt, in aller Vielfal?
Zum Abschluss sagte sie noch einen Satz, der zu jedem ihrer Bücher, zur Lage in der Türkei, aber auch zur aktuellen politischen Situation hier passt: Die, die rechts stehen, die nationalistisch sind, fremdenfeindlich, frauenfeindlich, homophob etc, die schreien immer besonders laut und machen sich besonders brutal bemerkbar. Unser aller Pflicht ist es, lauter und sichtbarer als diese zu sein, uns viel deutlicher bemerkbar zu machen und den öffentlichen Raum zu besetzen - wenn wir ihnen diesen Raum überlassen, sind wir alle über kurz oder lang verloren.
© Susanne Becker
Ich habe bereits einige ihrer Bücher gelesen und weiß, dass sie eine sehr kluge, beeindruckende Frau ist. Umso erstaunter bin ich, als sie die Bühne betritt und ich sehe, wie überaus bescheiden und zurückhaltend sie erscheint, nicht wie der Star der türksichen Literaturszene, der sie ist. Leise und unaufdringlich bringt sie ihre Ansichten zu Gehör, dabei immer freundlich, niemals wütend oder aggressiv. Das hat mich sehr beeindruckt, wie wenig rechthaberisch sie ist. Diese Haltung macht es natürlich vor allem jenen, die anderer Meinung sind als sie, viel leichter, ihr zuzuhören.
An einem Punkt sagte sie, dass sie ihre Bücher für viel weiser und mutiger hält als sich selbst, da sie die Charaktere in ihnen alles sagen lässt, was sie vielleicht selbst, beispielsweise in einem journalistischen Text, nicht so offen zum Ausdruck brächte. Sie sagte, dass sie lügen würde, würde sie behaupten, in journalistischen Texten offen alles zu schreiben, was sie denkt. Viel zu bewusst sei ihr, und sicher allen Schreibenden in der Türkei, welche Konsequenzen ein falscher Satz haben könne.
Immer wieder wies sie während des Abends darauf hin, wie wichtig freie Meinungsäußerung sei für eine funktionierende Demokratie, und dass dieses Gut in der Türkei immer stärker beschnitten werde.
Für ihren Mut, die Probleme der Türkei in ihren Romanen auszusprechen, wurde sie bereits einmal wegen "Beleidigung des Türkentums" angezeigt. Sie hätte dafür, wäre es hart auf hart gekommen, bis zu drei Jahren ins Gefängnis kommen können. Gott sei Dank wurde sie frei gesprochen. Aber eine solche Anzeige, eine daraus resultierende Gefängnisstrafe ist natürlich eine reale Bedrohung für jeden Schreibenden in der Türkei.
Der Bastard von Istanbul brachte Elif Shafak also fast ins Gefängnis, weil sie darin über den Genozid an den Armeniern schreibt und diesen auch so nennt.
ein wunderschönes Cover, wie eigentlich immer bei kein&aber |
Die eine Familie ist armenischen Ursprungs und lebt mittlerweile in Kalifornien. Die andere Familie ist türkisch und lebt in Istanbul.
In beiden Familien dominieren starke Frauen, viele, sehr viele starke Frauen. Das ist das erste, was mich an dem Buch sogleich gepackt hat: diese Fülle an wunderbaren Frauen, armenisch und türkisch, die alle eine laute Stimme bekommen. Es fängt gleich zu Beginn des Buches an mit Zeliha, die durch die verregneten Straßen der Stadt läuft, auf dem Weg zu einem Arzt, wo sie eine Abtreibung vornehmen lassen möchte. Dies geschieht dann aber schlussendlich doch nicht. Zeliha bekommt ihr Kind und verschweigt konsequent den Vater. Das Kind wächst mit Zeliha im Haus der Familie auf, in dem nur Frauen leben: Zelihas Mutter sowie ihre Schwestern. Dieses Kind, Asya Kazanci, wächst in einem Universum ziemlich verrückter Frauen auf, in welchem ihre Mutter nur wie eine der zahlreichen Tanten erscheint und eine wirkliche Mutter-Tochterbeziehung sich nicht bildet. Asya ist nicht glücklich.
Zur gleichen wächst in den USA Armanoush Tchakhmakhchian heran, ihr Vater ist Armenier, die Mutter Amerikanerin. Die Eltern haben sich getrennt, als Armanoush noch ein Baby war. Sie verbringt nun die Hälfte der Zeit in Arizona bei der Mutter und die andere Hälfte in Kalifornien bei der Familie des Vaters. Ihre Großmutter, die den Genozid überlebte, kam als ganz junge Frau in die USA, sie ist eine der stärksten Figuren des Buches und ihre Geschichte ist atemberaubend.
Irgendwann beschließt Armanoush, die von ihrer Mutter konsequent Amy genannt wird, nach Istanbul zu gehen, um die Wurzeln ihrer Familie, die alte Heimat ihrer armenischen Großmutter, kennen zu lernen.
Armanoushs Mutter hatte bereits kurz nach der Trennung von ihrem Vater im Supermarkt einen jungen türkischen Mann kennen gelernt, der ihr zunächst vor allem deswegen als perfektes Ziel ihrer Begierde erschien, um mit dieser neuen Beziehung die armenische Familie zu brüskieren. Später heiraten die beiden und werden trotz der nicht ganz kosheren Anfangsmotivation ein recht glückliches Paar.
Armanoush nimmt hinter dem Rücken ihrer Eltern mit der Familie dieses türkischen Stiefvaters Kontakt auf und fliegt für eine Woche heimlich nach Istanbul, wo sie von der Familie mit offenen Armen, von Asya zunächst widerstrebend empfangen wird. Doch schon bald werden die beiden Freundinnen. In Istanbul lernt Armanoush, wie viele Ähnlichkeiten es gibt zwischen Türken und Armeniern, und dass man die beiden Völker trotz aller schmerzlichen Erlebnisse gar nicht trennen kann.
Im Laufe der Geschichte werden Geheimnisse und Verbindungen offenbart, als Leserin war ich so manches Mal über die Wendung überrascht, immer wieder staunte ich über die Fabulierkraft der Autorin, aber auch über die Unglaublichkeit des Schicksals.
Der Bastard von Istanbul ist ein intensivers, sehr reiches Buch, mit starken weiblichen Charakteren und klaren politischen Ansichten, die in diesem Kunstwerk zum Ausdruck gebracht werden. Es erzählt eine spannende und farbenreiche Geschichte, die vom ersten bis zum letzten Satz den Leser für sich einnehmen kann.
In ihrem Vorwort zu diesem Buch schrieb die Autorin: "Ich bin der festen Überzeugung, dass sich kein Geschichtenerzähler aus der Türkei (oder Pakistan oder Ägypten oder irgendeinem anderen Land, in dem eine reife Dimokratie noch eine Idealvorstellung ist) den Luxus erlauben kann, apolitisch zu sein."
Auch gestern abend hat sie an vielen Stellen des Gesprächs mit Gabriele von Arnim, die auch ins Deutsche übersetzte, gezeigt, dass sie eine sehr politische Autorin ist. Mehrfach wies sie, wie schon erwähnt, darauf hin, wie wichtig Redefreiheit und auch Freiheit des Denkens für eine wirkliche Demokratie sind, und dass diese Werte in der heutigen Türkei immer weiter beschnitten werden, womit eben auch wahre Kreativität beschnitten wird.
Sie stellte gestern dem Publikum ihren neuesten Roman Der Architekt des Sultans vor. Er handelt vom größten Architekten des Osmanischen Reichs, einem Elefanten und einem Jungen, der der Lehrling dieses Architekten wird. Dieser Junge erzählt die Geschichte in der Rückschau, als sehr alter Mann und sie beginnt wie folgt: "Von allen Menschen, die Gott erschuf und Schaitan auf Abwege führte, haben nur wenige den Mittelpunkt des Universums entdeckt, wo es weder Gut noch Böse gibt, keine Vergangenheit und keine Zukunft, kein »Ich« und kein »Du«, keinen Krieg und keinen Grund, Krieg zu führen, sondern nur ein unendliches Meer der Ruhe. Was diese wenigen dort fanden, war so schön, dass sie die Gabe des Sprechens verloren."
Der Sultan verlangte vom Architekten Sinan, er solle eine Moschee mit einer Kuppel bauen, die größer sei, als die Kuppel der Hagia Sophia, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Islam mächtiger sei als das Christentum. Der Architekt Sinan aber wusste, dass es eine Kuppel gibt, die über uns allen sich wölbt und unter der alle Zuflucht finden: Juden und Muslime, Christen und Buddhisten, alle! Es gibt keine Trennung und Konkurrenz ist sinnlos, der Mittelpunkt des Universums steht jedem offen.
Elif Shafak las aus dem englischen Original, die Schauspielerin Naomi Krauss las aus der deutschen Übersetzung und das war ein besonderer Genuss!
Elif Shafak, die nicht in der Türkei, sondern u.a. in Spanien und Amman aufwuchs, schreibt seit etwa dreizehn Jahren ihre Bücher auf Englisch. Sie wird aus vielen Gründen in der Türkei angefeindet, auch aus diesem. Es gibt Leute, die nennen sie eine Betrügerin an der türkischen Sprache. Dennoch ist sie eine der meist gelesenen Autorinnen in der Türkei. Ihre Leser sind zu ca. 80 bis 85 % weiblich, und kommen aus allen Schichten, von allen politischen Seiten. Sie erzählte, wie sehr sie sich freut, wenn auf ihren Lesungen Frauen nebeneinander sitzen, die normalerweise kein Wort miteinander wechseln würden, die noch nicht einmal ein Glas Wasser teilen würden,weil sie aus vollkommen verschiedenen Schichten, Religionen, Lagern stammen, und doch teilen sie alle diese Lektüre. Da kommt sie ihrem Ziel, Brücken zu bauen, dazu beizutragen, dass die Türkei ein vielfältiges, ein offenes, ein tolerantes Land wird und bleibt, vor allem auch für Frauen, ein kleines Stückchen näher.
Sie schreibt in Englisch, weil sie sich in dieser Sprache frei fühlt, und in vieler Hinsicht den Problemen ihrer Heimat unbefangen näher treten kann. Und wie sie selber sagt: Warum sollte sie nicht in Englisch schreiben? Warum sollte nicht jeder Mensch tun dürfen, was er kann und was er will, zeigen, was in ihm steckt, in aller Vielfal?
Zum Abschluss sagte sie noch einen Satz, der zu jedem ihrer Bücher, zur Lage in der Türkei, aber auch zur aktuellen politischen Situation hier passt: Die, die rechts stehen, die nationalistisch sind, fremdenfeindlich, frauenfeindlich, homophob etc, die schreien immer besonders laut und machen sich besonders brutal bemerkbar. Unser aller Pflicht ist es, lauter und sichtbarer als diese zu sein, uns viel deutlicher bemerkbar zu machen und den öffentlichen Raum zu besetzen - wenn wir ihnen diesen Raum überlassen, sind wir alle über kurz oder lang verloren.
© Susanne Becker
Mir waren es zu viele prachtvolle Roben und andauernd fanden festliche Umzüge statt. Auf Dauer war das langweilig.
AntwortenLöschenIm Architekt des Sultans, oder? Das Buch habe ich noch gar nicht selbst gelesen. Ich muss gestehen, dass mir zwar die Lesung aufgrund ihrer Person sehr gefallen hat, aber das Buch hat mich thematisch nicht angesprochen. Ich mag Der Bastard von Istanbul und Ehre. viele Grüße!
AntwortenLöschen"Von allen Menschen, die Gott erschuf und Schaitan auf Abwege führte, haben nur wenige den Mittelpunkt des Universums entdeckt, wo es weder Gut noch Böse gibt, keine Vergangenheit und keine Zukunft, kein »Ich« und kein »Du«, keinen Krieg und keinen Grund, Krieg zu führen, sondern nur ein unendliches Meer der Ruhe. Was diese wenigen dort fanden, war so schön, dass sie die Gabe des Sprechens verloren."
AntwortenLöschenDas Zitat, was du ausgesucht hast, spricht mich total an. Das fühle ich auch so. Schönheit und Verständnis macht sprachlos. Aber Hass und Agressivität, spricht laut.
Liebe Grüße, Anja
Danke Anja! Ich muss noch oft an die Lesung mit ihr denken, vor 1 1/2 Jahren, wie sie auf dem Podium saß, eine Ruferin in der Wüste, sie ahnte voraus, was noch alles in der Türkei geschehen würde, wie weit Erdogan gehen würde. Ich wusste damals schon, weil sie einfach so klug und überzeugend ist, dass sie leider vermutlich recht behalten würde. schade, dass die Freundlichen, die Klugen, die Besonnenen, nienals so laut sein können, wie die Dummen und Brutalen. Dir einen ganz schönen Schneesonntag und liebe Grüße Susanne
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