"Aber wie und womit hat es angefangen", hatte Merete gesagt, und ihre Stimme war plötzlich weich geworden dunkel wie früher manchmal. Ihre Lippen waren ausgetrocknet, der linke Mundwinkel hatte sich entzündet, und Andreas dachte daran, wie sie am Anfang ihrer Liebe einander gefüttert hatten...."
Ich lese gerade Ruth Schweikerts Ohio und gehe in den vielen verschiedenen Perspektiven, den verschiedenen Personen, Geschichten, Einzelteilen und Zeitebenen zuweilen verloren, die alle diese Frage beantworten wollen : Aber wie und womit hat es angefangen? Wo war der Anfang des Endes unserer Beziehung? Um dies zu beantworten, geht die Autorin weit zurück in die Vergangenheit, in einzelne Familiengeschichten, die alle angerissen und erst viele Seiten später weiter erzählt werden.
Gerade noch bin ich mit Merete und Andreas, einem Paar aus Zürich, in einem Hotelzimmer in Durban, es muss in etwa das Jahr 2005 sein, und nur einige Seiten später, befinde ich mich im Oberengadin, es ist das Jahr 1920 und die Protagonisten heißen Amalia und Roberto. Wieder ein paar Seiten weiter und ich bin auf der Flucht aus Breslau, mit Margarete, Almut und ihrer Mutter. Zwischen diesen Zeitebenen und einigen weiteren springt das Buch recht schnell hin und her. Manche Abschnitte dauern nur zwei Seiten, so dass mir beim Lesen fast schwindlig wird.
Es ist eigentlich nicht meine Art, in Büchern die Orientierung zu verlieren. Es stört mich auch nicht, wenn Bücher kompliziert strukturiert und vielschichtig sind. Deshalb schiebe ich es dem Buch unter, dass ich mich nicht zurecht finde. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Buch, das auf mich unnötig kompliziert und konstruiert wirkt. Es ist verwirrend. Immer, wenn ich gerade denke, ich habe den roten Faden, hört der Absatz wieder auf und es beginnt ein neuer, der sich um eine völlig andere Person dreht, in einer völlig anderen Zeit spielt und mir das Gefühl gibt, nicht mehr zu wissen, was ich da lese. Was will die Autorin mir, ihrer Leserin, sagen?
Ich spüre deutlich, dass das Buch eigentlich gut sein könnte und ich frage mich, ob es das erste Buch der Autorin ist, und ob diese damals noch nicht das Handwerk des Entwerfens und Schreibens einer den Leser quasi an die Hand nehmenden Geschichte beherrschte. Vielleicht ist das auch zuviel verlangt. An die Hand genommen werden möchte ich gar nicht. Aber ich möchte nicht mit so kleinen Happen abgefertigt werden, Appetithäppchen sozusagen, während ich eine Geschichte erzählt bekomme. Ich möchte eintauchen und alles um mich herum vergessen können, anstatt alle zwei Seiten aufzuschrecken, weil ich wieder woanders bin und nicht weiß, wo.
Es gibt Momente, da frage ich mich, warum das Buch überhaupt veröffentlicht wurde. Nein, nicht weil es so schlecht wäre. Das ist es wirklich nicht. Die Idee, dass eine Beziehung nicht funktioniert, weil sie in einem geschichtlichen Raum stattfindet, in dem auch die Vergangenheit eine glasklare Wirkung hat, so wie wir alle auf dem Boden dessen wandeln, was vor uns war, das gefällt mir. Mir gefällt auch die Sprache. Kühl und präzise. Dennoch finde ich die Umsetzung letztendlich zu dünn. Wenn schon die Vergangenheit eine so wichtige Rolle spielt, dann möchte ich mehr darüber wissen, nicht nur Bruchstücke, die manchmal ins klischeehafte abrutschen.
In einer Rezension lese ich, dies wäre das zweite Buch der Autorin, in einer anderen, es wäre das dritte. War es erfolgreich? Ich musste es über das verschachtelte Beziehungsnetzwerk meiner Buchhandlung bestellen, denn es ist vergriffen. Ursprünglich im Amman Verlag erschienen, habe ich die Taschenbuchausgabe des Fischer Verlags in Händen, von 2015.
Ich lese gerade Ruth Schweikerts Ohio und gehe in den vielen verschiedenen Perspektiven, den verschiedenen Personen, Geschichten, Einzelteilen und Zeitebenen zuweilen verloren, die alle diese Frage beantworten wollen : Aber wie und womit hat es angefangen? Wo war der Anfang des Endes unserer Beziehung? Um dies zu beantworten, geht die Autorin weit zurück in die Vergangenheit, in einzelne Familiengeschichten, die alle angerissen und erst viele Seiten später weiter erzählt werden.
Gerade noch bin ich mit Merete und Andreas, einem Paar aus Zürich, in einem Hotelzimmer in Durban, es muss in etwa das Jahr 2005 sein, und nur einige Seiten später, befinde ich mich im Oberengadin, es ist das Jahr 1920 und die Protagonisten heißen Amalia und Roberto. Wieder ein paar Seiten weiter und ich bin auf der Flucht aus Breslau, mit Margarete, Almut und ihrer Mutter. Zwischen diesen Zeitebenen und einigen weiteren springt das Buch recht schnell hin und her. Manche Abschnitte dauern nur zwei Seiten, so dass mir beim Lesen fast schwindlig wird.
Es ist eigentlich nicht meine Art, in Büchern die Orientierung zu verlieren. Es stört mich auch nicht, wenn Bücher kompliziert strukturiert und vielschichtig sind. Deshalb schiebe ich es dem Buch unter, dass ich mich nicht zurecht finde. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Buch, das auf mich unnötig kompliziert und konstruiert wirkt. Es ist verwirrend. Immer, wenn ich gerade denke, ich habe den roten Faden, hört der Absatz wieder auf und es beginnt ein neuer, der sich um eine völlig andere Person dreht, in einer völlig anderen Zeit spielt und mir das Gefühl gibt, nicht mehr zu wissen, was ich da lese. Was will die Autorin mir, ihrer Leserin, sagen?
Ich spüre deutlich, dass das Buch eigentlich gut sein könnte und ich frage mich, ob es das erste Buch der Autorin ist, und ob diese damals noch nicht das Handwerk des Entwerfens und Schreibens einer den Leser quasi an die Hand nehmenden Geschichte beherrschte. Vielleicht ist das auch zuviel verlangt. An die Hand genommen werden möchte ich gar nicht. Aber ich möchte nicht mit so kleinen Happen abgefertigt werden, Appetithäppchen sozusagen, während ich eine Geschichte erzählt bekomme. Ich möchte eintauchen und alles um mich herum vergessen können, anstatt alle zwei Seiten aufzuschrecken, weil ich wieder woanders bin und nicht weiß, wo.
Es gibt Momente, da frage ich mich, warum das Buch überhaupt veröffentlicht wurde. Nein, nicht weil es so schlecht wäre. Das ist es wirklich nicht. Die Idee, dass eine Beziehung nicht funktioniert, weil sie in einem geschichtlichen Raum stattfindet, in dem auch die Vergangenheit eine glasklare Wirkung hat, so wie wir alle auf dem Boden dessen wandeln, was vor uns war, das gefällt mir. Mir gefällt auch die Sprache. Kühl und präzise. Dennoch finde ich die Umsetzung letztendlich zu dünn. Wenn schon die Vergangenheit eine so wichtige Rolle spielt, dann möchte ich mehr darüber wissen, nicht nur Bruchstücke, die manchmal ins klischeehafte abrutschen.
In einer Rezension lese ich, dies wäre das zweite Buch der Autorin, in einer anderen, es wäre das dritte. War es erfolgreich? Ich musste es über das verschachtelte Beziehungsnetzwerk meiner Buchhandlung bestellen, denn es ist vergriffen. Ursprünglich im Amman Verlag erschienen, habe ich die Taschenbuchausgabe des Fischer Verlags in Händen, von 2015.
Dank Wikipedia sehe
ich, dass auch andere die Unübersichtlichkeit schon bemerkt haben, sie
aber vielleicht nicht so störend finden wie ich: „Ihre Freude am Erzählen äussert sich nicht im Wesentlichen
durch den Inhalt, sondern in der sprachlichen Präzision und im formalen, oft
zuerst unübersichtlichen Aufbau der Texte.“ Okay, hier wird von "zuerst unübersichtlich" gesprochen. Es schürt meine Hoffnung, dass ich am Ende ein Gesamtbild sehen werde, von dem ich während des Lesens die Puzzlesteine, einen nach dem anderen, präsentiert bekomme. Es schürt die Hoffnung, das Gesamtbild könne so großartig sein, dass am Ende ein für mich doch noch befriedigendes Leseerlebnis heraus kommen könnte.
Ich mag eigentlich die Geschichte, dass ein Paar nach neun
Jahren und zwei gemeinsamen Kindern an ein Ende gelangt ist, von wo es
irgendwie kein wirkliches Zurück aber auch kein Weiter gibt. Ich finde, das
reicht als Geschichte. Ich brauche da gar nicht diesen ganzen Unterbau von hundert Jahren. Das Hier und Jetzt und wie das Paar am Ende ist, daraus kann man viel, wenn nicht alles machen. Aber bei
Schweikert kommen dann noch die Rückblenden zu den Eltern des Paares, deren
Geschichten, Geheimnisse, Verstrickungen, und die Tatsache, dass die Frau ein
Findelkind ist und über ihre Eltern gar nichts weiß, und dass dann noch einer
der Söhne des Paares einen schweren Unfall erleidet, und man ewig nicht erfährt,
was denn nun ist mit ihm, und der Unfalltod einer Freundin, was alles eine Überfrachtung des kleinen
Büchleins erzeugt. Da fehlt mir persönlich die Konzentration aufs Wesentliche.
Ich muss daran denken, wie einmal ein Lektor zu meinem Schwänemanuskript sagte: „Ach, nein, das möchte man als Leser jetzt aber nicht, dass ihr auch noch das Kind stirbt. Das ist einfach zu viel an Unglück. So viel Mitleid hat man dann nicht mehr übrig.“ So ein bisschen gehts mir auch, nur ohne Mitleid, denn das fordert die Schweikert auch gar nicht ein. Bei jedem neuen Namen denke ich: "Och nö, jetzt wäre ich einfach mal gerne fünf Seiten lang konzentriert bei Merete geblieben. Wer ist denn jetzt schon wieder dieser Alejandro?"
Nein, vermutlich mag ich das
Buch nicht. Obwohl ich es unbedingt mögen wollte. Und noch habe ich kaum die Hälfte gelesen. Da ist also noch Hoffnung. Denn die Autorin ist mir sympathisch. Ich möchte von ihr das neue Buch „Wie wir älter werden“, unbedingt lesen, egal, welches Urteil letztendlich über Ohio fallen wird. Ich muss daran denken, wie einmal ein Lektor zu meinem Schwänemanuskript sagte: „Ach, nein, das möchte man als Leser jetzt aber nicht, dass ihr auch noch das Kind stirbt. Das ist einfach zu viel an Unglück. So viel Mitleid hat man dann nicht mehr übrig.“ So ein bisschen gehts mir auch, nur ohne Mitleid, denn das fordert die Schweikert auch gar nicht ein. Bei jedem neuen Namen denke ich: "Och nö, jetzt wäre ich einfach mal gerne fünf Seiten lang konzentriert bei Merete geblieben. Wer ist denn jetzt schon wieder dieser Alejandro?"
Kennt ihr dieses sonderbare Gefühl, wenn man ein Buch beginnt mit der absoluten Gewissheit, es zu lieben, und dann merkt man schon nach ein paar Seiten, dass es nicht so ist und man fällt in eine Art Loch? Ich werde das Buch dennoch zuende lesen. Weil meine Gefühle zwiespältig sind und ich immer noch bereit bin, das Ruder meiner Einschätzung herum zu reißen, wenn das Gesamtbild mich am Ende überzeugt. Wenn möglicherweise am Ende die Frage des Anfangs beantwortet werden kann, wenn auch ihre stilistische Wahl, nicht an einer Stelle in die Tiefe zu tauchen, sondern nicht weit von der Oberfläche entfernt ein sehr weites Terrain erzählerisch abzudecken, sich als die richtige erwiesen haben sollte.
© Susanne Becker
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