Ich lese gerade ein wunderschönes Buch mit einem betörenden Titel - Die Schmetterlingsfängerin der österreichischen Autorin Margarita Kinstner, die auf ihrer Website einen Blog hat, auf dem sie ihre Recherchereisen nach Sarajevo, nach Banja Luka, nach Bosnien in einer Art Tagebuch protokolliert. Angesichts der Tatsache, dass diese Orte immer mehr zu Sehnsuchtsorten von mir werden, die ich hoffe, im Rahmen eines Roadtrips durch Südosteuropa im kommenden Jahr zu besuchen, ist dieser Blog eine Fundgrube für mich, mit der ich gar nicht gerechnet hatte.
Das Buch ist zufällig zu mir gekommen, ich wäre vermutlich von selbst niemals darauf gestoßen. Eine Freundin hat es mir zum Geburtstag geschenkt.
Die Schmetterlingsfängerin ist eine österreichische Familiengeschichte. Teilweise spielt sie in Wien, einem weiteren meiner Sehnsuchtsorte, die ich noch in diesem Jahr wieder besuchen werde.
Die Familie hat allerdings auf einer Seite bosnische Wurzeln, da war ein Urgroßvater, der aus Sarajevo nach Österreich ausgewandert ist, ins Lusniztal.
Die Erzählerin dieser Familiengeschichte heißt Katja Köhler und ist schwanger von Danijel, ihrem bosnischen Verlobten, der eigentlich in Österreich lebte, wohin er vor dem Krieg als Kind geflohen ist. Aber nun bewirbt er sich an einem Krankenhaus in Sarajevo und bekommt die Stelle auf der Kinderonkologie. Katja willigt ein, mit ihm dort hin zu ziehen.
"Kein Mensch zieht von Österreich nach Bosnien", sagt Magda. Seit einem halben Jahr versucht sie, mir diese Tatsache vor Augen zu führen.
... Das schlimme ist: Ich weiß, dass sie recht hat. Trotzdem werde ich nach Sarajevo ziehen. Ich habe mich entschieden."
Die Umzugskartons sind bereits gepackt. Noch einmal reist sie ins Lusniztal, wo sie ihre Großtante Therese trifft und einen wichtigen Teil ihrer Kindheit bei der Mutter ihres Vaters verlebt hat. Dort gab es eine Hollywoodschaukel, Freiheit und Natur. Sie hofft, ihre Heimat dort wiederzufinden.
Mit ihrer Großtante erforscht sie die alten Geschichten der Familie und schnell wird deutlich, wie wenig diese ganze Familie vom Bleiben hielt. Immer sind da Ortswechsel, Auswanderer, aber auch Chancen, die nicht wahrgenommen wurden. Nach und nach ergibt sich dem Leser das Bild einer ungewöhnlichen Familie, die in alle Winde verstreut ist und doch zusammen gehört. Katja sehnt sich im Grunde nach einer Heimat, die in ihrer Familie viele nicht gefunden haben. Immer wieder treffen wir in dem Buch auf Menschen, die einen Ort verlassen oder an dem Ort, an dem sie leben, nicht wirklich angekommen oder glücklich sind.
Was wäre geschehen, wenn die Großmutter in der Schweiz geblieben und ihre große Liebe gelebt hätte, anstatt den Großvater zu heiraten?
Was wäre geschehen, wenn Katjas Mutter sie nicht irgendwann aus dem Lusniztal zu sich nach Wien geholt hätte?
Was wäre geschehen, wenn ihr Onkel Kurt nicht auf sein Motorrad gestiegen wäre?
Oder was wäre geschehen, wenn die Großtanten nicht nach Kanada ausgewandert wären oder die Großmutter hätte es geschafft, ihnen zu folgen?
Und was wird geschehen, wenn Katja nach Sarajevo zu Danijel geht? Wird sie dort eine Heimat finden? Kann man überhaupt Heimat finden, indem man die Orte wechselt? Gibt es Heimat? Das ist ja durchaus eine Frage, die jeder sich zwischendurch und vielleicht auch immer wieder neu beantwortet. Als ich jung war, habe ich die Frage anders beantwortet als heute, wo ich Kinder habe.
All die verschiedenen Menschen und Orte könnten einen verwirren, aber sie tun es interessanterweise nicht. Die Autorin schafft es, ein tragbares, sehr spannendes Netz zu knüpfen, das aus dieser zutiefst innerlichen Frage nach Heimat besteht. Man ahnt schon nach der Hälfte der Geschichte, dass sie es schaffen könnte, ein Gesamtbild von all den einzelnen Fragmenten herzustellen, aus welchem dem Leser die Bedeutung eines Begriffs wie Heimat noch einmal in anderem, vielleicht sogar neuem Licht erscheint.
Ein wirklich herrliches Buch, dem ich noch sehr viele Leser wünsche. Ich gehe jetzt ins Wochenende und werde es zuende lesen!
© Susanne Becker
Das Buch ist zufällig zu mir gekommen, ich wäre vermutlich von selbst niemals darauf gestoßen. Eine Freundin hat es mir zum Geburtstag geschenkt.
Die Schmetterlingsfängerin ist eine österreichische Familiengeschichte. Teilweise spielt sie in Wien, einem weiteren meiner Sehnsuchtsorte, die ich noch in diesem Jahr wieder besuchen werde.
Die Familie hat allerdings auf einer Seite bosnische Wurzeln, da war ein Urgroßvater, der aus Sarajevo nach Österreich ausgewandert ist, ins Lusniztal.
Die Erzählerin dieser Familiengeschichte heißt Katja Köhler und ist schwanger von Danijel, ihrem bosnischen Verlobten, der eigentlich in Österreich lebte, wohin er vor dem Krieg als Kind geflohen ist. Aber nun bewirbt er sich an einem Krankenhaus in Sarajevo und bekommt die Stelle auf der Kinderonkologie. Katja willigt ein, mit ihm dort hin zu ziehen.
"Kein Mensch zieht von Österreich nach Bosnien", sagt Magda. Seit einem halben Jahr versucht sie, mir diese Tatsache vor Augen zu führen.
... Das schlimme ist: Ich weiß, dass sie recht hat. Trotzdem werde ich nach Sarajevo ziehen. Ich habe mich entschieden."
Die Umzugskartons sind bereits gepackt. Noch einmal reist sie ins Lusniztal, wo sie ihre Großtante Therese trifft und einen wichtigen Teil ihrer Kindheit bei der Mutter ihres Vaters verlebt hat. Dort gab es eine Hollywoodschaukel, Freiheit und Natur. Sie hofft, ihre Heimat dort wiederzufinden.
Mit ihrer Großtante erforscht sie die alten Geschichten der Familie und schnell wird deutlich, wie wenig diese ganze Familie vom Bleiben hielt. Immer sind da Ortswechsel, Auswanderer, aber auch Chancen, die nicht wahrgenommen wurden. Nach und nach ergibt sich dem Leser das Bild einer ungewöhnlichen Familie, die in alle Winde verstreut ist und doch zusammen gehört. Katja sehnt sich im Grunde nach einer Heimat, die in ihrer Familie viele nicht gefunden haben. Immer wieder treffen wir in dem Buch auf Menschen, die einen Ort verlassen oder an dem Ort, an dem sie leben, nicht wirklich angekommen oder glücklich sind.
Was wäre geschehen, wenn die Großmutter in der Schweiz geblieben und ihre große Liebe gelebt hätte, anstatt den Großvater zu heiraten?
Was wäre geschehen, wenn Katjas Mutter sie nicht irgendwann aus dem Lusniztal zu sich nach Wien geholt hätte?
Was wäre geschehen, wenn ihr Onkel Kurt nicht auf sein Motorrad gestiegen wäre?
Oder was wäre geschehen, wenn die Großtanten nicht nach Kanada ausgewandert wären oder die Großmutter hätte es geschafft, ihnen zu folgen?
Und was wird geschehen, wenn Katja nach Sarajevo zu Danijel geht? Wird sie dort eine Heimat finden? Kann man überhaupt Heimat finden, indem man die Orte wechselt? Gibt es Heimat? Das ist ja durchaus eine Frage, die jeder sich zwischendurch und vielleicht auch immer wieder neu beantwortet. Als ich jung war, habe ich die Frage anders beantwortet als heute, wo ich Kinder habe.
All die verschiedenen Menschen und Orte könnten einen verwirren, aber sie tun es interessanterweise nicht. Die Autorin schafft es, ein tragbares, sehr spannendes Netz zu knüpfen, das aus dieser zutiefst innerlichen Frage nach Heimat besteht. Man ahnt schon nach der Hälfte der Geschichte, dass sie es schaffen könnte, ein Gesamtbild von all den einzelnen Fragmenten herzustellen, aus welchem dem Leser die Bedeutung eines Begriffs wie Heimat noch einmal in anderem, vielleicht sogar neuem Licht erscheint.
Ein wirklich herrliches Buch, dem ich noch sehr viele Leser wünsche. Ich gehe jetzt ins Wochenende und werde es zuende lesen!
© Susanne Becker
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