Ich wusste es nicht mehr, ob es ein Traum war,
eine Einbildung, oder die Wahrheit, dass ich gestern irgendwo gelesen hatte,
dass in der Türkei das laute öffentliche Lachen von Frauen verboten werden
soll, weil es als genau so wenig tugendhaft gilt, wie seine weiblichen Reize öffentlich zur Schau zu stellen.
Ich habe gestern über diese Meldung
hinweg gescrollt, weil ich keine Lust hatte, mir die Laune komplett verderben
zu lassen. Aber heute fiel es mir wieder ein und nach nur einsekündiger Recherche im Netz stelle ich fest: es ist wahr, meine Phantasie ist doch nicht so vielschichtig, wie ich kurz vermutet hatte. Die Realität ist immer noch ein Stück witziger als ich.
Einer der
Stellvertreter von Erdogan möchte Frauen das öffentliche Lachen verbieten. Er
fühlt sich auch davon gestört, dass Frauen oft „stundenlang“ am Handy
telefonieren. Ich glaube, darüber muss ich jetzt erstmal sehr laut lachen und
vielleicht gehe ich dafür auch runter auf die Straße und lache öffentlich und
dann telefoniere ich dort und lache sehr laut, während ich telefoniere, auf der
Straße, in aller Öffentlichkeit, stundenlang. (Der Stellvertreter von Erdogan erinnert mich an einen früheren Chef beim Westdeutschen Rundfunk, der sich auch immer darüber aufregte, dass ich so viel und so laut lache. Man könnte also sagen: hier wird ein altes Trauma reaktiviert.)
Ich lache übrigens nicht darüber, weil ich die Sache
so extrem witzig finde. Ich finde sie überhaupt nicht witzig. Es ist eher ein verzweifeltes Lachen, weil ich gedacht hätte,
dass ein türkischer Politiker, generell jeder Politiker, hier und jetzt andere
Prioritäten haben könnte, als das Benehmen von Frauen, das aber wirklich auch
in so gar keiner Weise etwas mit dem Elend auf dieser Welt zu tun hat. Im
Gegenteil bringen auch Frauen, trotz dieses Elends, mit ihrem Lachen so viel Glück und Freude in die Welt, dass ein Politiker angesichts der dramatischen Situation der
Welt: Flüchtlinge, Kriege, Klima, um nur drei rudimentäre Problemzonen anzusprechen, tatsächlich jeder Frau dafür danken müsste,
dass sie trotzdem lacht (jetzt fällt mir gerade die Mutter einer amerikanischen Freundin ein, die am Hochzeitsmorgen zu ihrer Tochter sagte: "And remember, always keep smiling through the tears!" womit sie schonmal klar machte, dass das verheiratete Frauenleben die Pest sein könnte und die beste Medizin auch dagegen das trotzdem Lachen sei.).
Weil Freude und Glück und Lachen und Liebe die einzigen Mittel sind,
diesen Wahnsinn, den oft genug die Männer und Frauen, die das f*****g Patriarchat unterstützen mit ihrer
Politik von Aggressivität, Kriegen und rücksichtslosen Ausbeutungsstrategien, sei
es bezüglich der Ressourcen dieser Erde, sei es bezüglich der menschlichen oder tierischen Ressourcen,
das Elend dieser Welt zu einem allergrößten Teil gerade erst hervor rufen. Die weltweit meisten Opfer dieser patriarchalen und kapitalistischen Weltaneignungsstrategien, mit denen unsere Welt perspektivisch komplett in den Untergang getrieben werden wird, sind Frauen und Kinder.
Aber dann hat so ein Politiker an allerhöchster Stelle wirklich kein anderes Problem, als sich über das Lachen von Frauen zu mokieren? Da kann man doch nur sagen: Job komplett verfehlt. Sie passen einfach gar nicht auf diese Stelle.
Warum sind überhaupt an so vielen prominenten Stellen Männer, die sich über das Verhalten von Frauen aufregen, dieses bis in die innersten Organe hinein reglementieren und kontrollieren möchten, nicht nur in islamischen Ländern (ich sage nur Trump, oder auch Cruz, es wird für die amerikanischen Frauen eine wahre Freude werden, wenn einer der beiden Präsident wird, denn dann können sie ihre sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung sehr bald in alten Geschichtsbüchern suchen, wenn diese nicht verboten sein sollten)? Warum beschäftigen diese Männer sich nicht mit der Lösung der wirklich anstehenden Probleme? Gut, ich schätze, sie haben keine Idee, wie man diese lösen kann, und ihre Priorität ist der eigene Machterhalt, wofür die Kontrolle von Frauen unerlässlich ist. Wäre das eine böswillige Unterstellung?
Aber dann hat so ein Politiker an allerhöchster Stelle wirklich kein anderes Problem, als sich über das Lachen von Frauen zu mokieren? Da kann man doch nur sagen: Job komplett verfehlt. Sie passen einfach gar nicht auf diese Stelle.
Warum sind überhaupt an so vielen prominenten Stellen Männer, die sich über das Verhalten von Frauen aufregen, dieses bis in die innersten Organe hinein reglementieren und kontrollieren möchten, nicht nur in islamischen Ländern (ich sage nur Trump, oder auch Cruz, es wird für die amerikanischen Frauen eine wahre Freude werden, wenn einer der beiden Präsident wird, denn dann können sie ihre sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung sehr bald in alten Geschichtsbüchern suchen, wenn diese nicht verboten sein sollten)? Warum beschäftigen diese Männer sich nicht mit der Lösung der wirklich anstehenden Probleme? Gut, ich schätze, sie haben keine Idee, wie man diese lösen kann, und ihre Priorität ist der eigene Machterhalt, wofür die Kontrolle von Frauen unerlässlich ist. Wäre das eine böswillige Unterstellung?
Wenn ich also lache, dann ist es aus der Verzweiflung (genau: keep smiling through the tears) darüber, dass niemand im Ernst zu ihm sagen wird, "Alter, Du hast deinen Job verfehlt". Vielmehr
wird dieser Mann seine Stellung behalten, seine Macht behalten oder gar ausbauen und eines Tages
genug seines gleichen möglicherweise davon überzeugt haben, dass lachende und
mit dem Handy telefonierende Frauen tatsächlich eines der primären Probleme sind.
Es wird in
der Konsequenz möglicherweise dazu führen, dass den Frauen in der Türkei
zukünftig irgendwann tatsächlich das Lachen verboten werden wird. Auch wenn uns
das aus unserer jetzigen Perspektive immer noch so ein bisschen absurd
vorkommen mag. Es ist schon oder noch real in viel zu vielen Orten dieser Welt, als dass wir eine solche Schlagzeile nicht ernst nehmen sollten und uns laut lachend an die Seite unserer Freundinnen in der Türkei und überall stellen sollten.
Ich muss, wie so oft in den letzten Monaten, an eine Lesung hier in Berlin mit der wunderbaren türkischen Autorin Elif Shafak denken, die genau das alles schon damals fürchtete.
Ich muss, wie so oft in den letzten Monaten, an eine Lesung hier in Berlin mit der wunderbaren türkischen Autorin Elif Shafak denken, die genau das alles schon damals fürchtete.
Dazu passt es aber auch, dass ich gerade das Buch
Unorthodox von Deborah Feldman lese, bei dessen Lektüre das Lachen
sehr oft durch die schon fast blutigen Tränen rinnt, wenn sie zum Beispiel beschreibt, wie eine
Lehrerin den Kindern erklärt, dass es ein bewundernswertes Ausmaß an
Tugendhaftigkeit bedeutet, dass eine Frau aus Frömmigkeit sich die Röcke an den Waden festgetackert habe, damit diese nicht vom Winde hochgeweht würden und
womöglich jemand ihre Knie sähe. Ich möchte nicht wissen, wie viele streng
orthodoxe jüdische Mädchen und Jungen diesen Schwachsinn geglaubt und in
irgendeiner Form in die Tat umgesetzt haben oder es noch tun. Denn Feldmans Buch erzählt ja nicht weit entfernte Geschichte, sondern vom Hier und Heute in Williamsburg/New York
Es zeigt, dass der Wahnsinn keine
Religion hat, er ist nicht an den Islam zwangsläufig gekoppelt, wie viel heute glauben, weil er dort besonders augenfällig ans Tageslicht drängt, sondern er hängt sich überall dort ran, wo Menschen verloren sind und in
irgendeinem Glauben, ohne zu hinterfragen, ihre Antworten erhoffen, weil sie
selbst nicht in der Lage sind oder sein wollen, frei zu denken und zu
entscheiden. Dieser Fanatismus kann überall dort die Massen ergreifen, wo Menschen ihre persönliche Macht in die Hände irgendeiner Autorität legen, anstatt selbst zu denken.
Es zeigt auch, dass der Wahnsinn in der Regel Hand in Hand geht mit der kompletten Entmündigung und Instrumentalisierung von Frauen. Obacht also, wenn euch einer das Lachen verbieten will. Das könnte erst der Anfang sein.
Es zeigt auch, dass der Wahnsinn in der Regel Hand in Hand geht mit der kompletten Entmündigung und Instrumentalisierung von Frauen. Obacht also, wenn euch einer das Lachen verbieten will. Das könnte erst der Anfang sein.
© Susanne Becker
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