Direkt zum Hauptbereich

Hallo Frühling, ich mach schonmal Marmelade, wenn du nicht kommst

Ich hatte es schon einmal erwähnt, dass ich am liebsten regional und öko einkaufe und es liebe, mein Geld an Menschen weiter zu geben, die ich fast persönlich kenne, die mir dafür im Tausch Produkte geben, die unter absolut korrekten Bedingungen hergestellt wurden. Ich knicke manchmal ein, will sagen: nicht immer schaffe ich es, konsequent zu bleiben.
Heute war es wieder so weit. Denn es schneit und ich habe den Winter absolut satt und Lilly berichtete mir, dass es in dem neuen türkischen Supermarkt in unserer Straße Erdbeeren gäbe.
Natürlich ist es klar, dass Erdbeeren im Februar gar nicht schmecken können. Klar ist auch, dass sie nicht bio sein können (sowieso nicht im türkischen Supermarkt) und dass die Klimabilanz ihres Anbaus und Transports in unseren Kiez katastrophal sein muss. Also, ich meine, da gebe ich dafür natürlich auch keinen Pfennig, ich meine, Cent aus. Bin ich blöd, oder was? Bin ich verantwortungslos? Bin ich ???? Ja, bin ich! Denn just gestern wurde mir klar, dass wir nicht mehr lange genug selbst gemachte Marmelade (aus unserem Garten, von unseren eigenen, selbst geernteten Früchten) haben würden, um bis zur nächsten Ernte klar zu kommen. Ich sah mich schon Marmelade einkaufen! Ein Unding. Denn seit wir den Garten haben, mache ich unsere Marmelade immer selbst. Das ist so eine Art Leidenschaft von mir geworden. Es beruhigt mich ungemein, bergeweise Sauerkirschen zu entkernen, Erdbeeren zu schneiden, in gebückter Haltung unter meinen Johannisbeersträuchern rumzukriechen, und dann die heiße Masse, nachdem sie drei Minuten sprudelnd und von mir ständig umgerührt, gekocht hat,  in frisch gespülte Gläser zu füllen. Ich probiere neue Rezepte aus, mische, was mir unter die Finger kommt, zu interessanten Kompositionen und finde es absolut effizient. Schon seit Wochen freue ich mich auf unsere ersten Erdbeeren und darauf, sie mit Zitronen zu mischen und mit Vanillezucker und endlich nochmal selbst gemachte Erdbeermarmelade, endlich nochmal Erdbeermarmelade überhaupt zu essen! Die ist schon ewig aus!
Das hatte sich als fixe Idee so unbemerkt in mein Hirn gebrannt. Der leere Schrank, die Mengen an leeren Gläsern, die auf Marmelade warteten wie ich auf den Frühling, das Bild, an einem verschneiten Samstagnachmittag Erdbeermarmelade in frisch gespülte Gläser zu füllen und sich einfach einzubilden, es wäre Frühling. Das Bild, bei 20 cm Neuschnee am Sonntagmorgen ein leckeres Biobrot mit Biobutter und selbst gemachter Erdbeermarmelade zu bestreichen und mir in den Mund zu schieben, mit leckerem Biokaffee runter zu spülen....
Also trödelte ich unauffällig heute morgen, der schneegeschwängerte Wind peitschte mir unwirsch um die Ohren, mal in Richtung türkischer Supermarkt ("wenn die für die Schale 2.50€ haben wollen, dreh ich ab, dann ist es finanziell lächerlich, dann lohnt es nicht und der Wahnsinn entpuppt sich von selbst") und stellte fest: es gab Erdbeeren. Sie waren rot und sahen vollkommen normal aus, wie sie da im Schneegestöber lagen. Ich hatte meine Lesebrille nicht dabei und konnte deshalb nicht feststellen, woher sie kamen. Mein Tipp ist: Spanien.
Aber die 99 cent auf dem Preisschild, die waren riesig. Also packte ich sechs Pakete in meinen Korb, deckte das ganze mit einem Fladenbrot unauffällig ab und trug es nachhause. Im Bioladen erstand ich Zucker und Zitronen sowie Vanillezucker. Den ganzen Nachmittag hat Lilly Erdbeeren geschnibbelt und jetzt haben wir den Schrank wieder voll mit selbstgemachter Marmelade.

Also ich nehme Erdbeeren, die abgeriebene Schale von ein bis zwei Biozitronen, den Saft und das Fruchtfleisch von ebenfalls zwei Biozitronen, Vanillezucker, natürlich Gelierzucker (aber immer weniger als angegeben, es sollte nicht zuuuu süß werden und das Ganze wird trotzdem steif).
Man kann sich diesen Duft nicht vorstellen, wenn die Erdbeeren (die zugegeben etwas knackig waren und so, als Früchte, für meinen Geschmack eher an Pappmaché als an Erdbeeren erinnerten) gemischt mit Vanille und Zitrone, in dem Topf liegen. Wenn man die Masse dann langsam erwärmt und dieser Duft zieht durch die ganze Wohnung. Draußen schneite es immer heftiger. Aber das machte nichts. Gar nichts. Ich habe auch gekostet und komischerweise schmecken diese Pappmachéfrüchte als Marmelade wie echte Erdbeeren. KÖSTLICH!
Außerdem habe ich nachgeschaut: ab nächsten Dienstag, nachdem wir nochmal so richtig eingeschneit sind, wird es milder. 5° und aufwärts und die Sonne, die echte Sonne, soll sogar ein wenig scheinen.
Da überlege ich, ob ich nicht am Dienstag mal zum Türkenmarkt am Maybachufer schlendere und nachschaue, so im ersten frühlingshaften Sonnenschein,  ob die schon Bergpfirsiche verkaufen. Also, die ergeben eine Marmelade, da möchte man sich ungelogen reinlegen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

100 bemerkenswerte Bücher - Die New York Times Liste 2013

Die Zeit der Buchlisten ist wieder angebrochen und ich bin wirklich froh darüber, weil, wenn ich die mittlerweile 45 Bücher gelesen habe, die sich um mein Bett herum und in meinem Flur stapeln, Hallo?, dann weiß ich echt nicht, was ich als nächstes lesen soll. Also ist es gut, sich zu informieren und vorzubereiten. Außerdem sind die Bücher nicht die gleichen Bücher, die ich im letzten Jahr hier  erwähnt hatte. Manche sind die gleichen, aber zehn davon habe ich gelesen, ich habe auch andere gelesen (da fällt mir ein, dass ich in den nächsten Tagen, wenn ich dazu komme, ja mal eine Liste der Bücher erstellen könnte, die ich 2013 gelesen habe, man kann ja mal angeben, das tun andere auch, manche richtig oft, ständig, so dass es unangenehm wird und wenn es bei mir irgendwann so ist, möchte ich nicht, dass Ihr es mir sagt, o.k.?),  und natürlich sind neue hinzugekommen. Ich habe Freunde, die mir Bücher unaufgefordert schicken, schenken oder leihen. Ich habe Freunde, die mir Bücher aufgeford

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer &q

Writing at the Fundacion Valparaiso in Mojacar, Spain

„…and you too have come into the world to do this, to go easy, to be filled with light, and to shine.“ Mary Oliver I am home from my first writing residency with other artists. In Herekeke , three years ago, I was alone with Miss Lilly and my endlessly talkative mind. There were also the mesa, the sunsets, the New Mexico sky, the silence and wonderful Peggy Chan, who came by once a day. She offers this perfect place for artists, and I will be forever grateful to her. The conversations we had, resonate until today within me. It was the most fantastic time, I was given there, and the more my time in Spain approached, I pondered second thoughts: Should I go? Could I have a time like in Herekeke somewhere else, with other people? It seemed unlikely. When I left the airport in Almeria with my rental car, I was stunned to find, that the andalusian landscape is so much like New Mexico. Even better, because, it has an ocean too. I drove to Mojacar and to the FundacionValparaiso