In der letzten Zeit habe ich einige wirklich gute Filme gesehen. Die meisten sind nicht neu. Ich hinke beim Sehen genau wie beim Lesen immer ziemlich hinter den Neuerscheinungen her. Aber im Grunde ist mir das auch egal. Ich schaue Filme aus einem ähnlichen Grund, aus dem ich Bücher lese: ich bin eigentlich ständig auf der Suche nach Aha-Erlebnissen, Erkenntnissen über das Leben und mich selbst und ich identifiziere mich unglaublich gerne mit den Charakteren. Ich liebe Geschichten, die so sind, dass ich mir einbilden kann, sie erlebt zu haben. Ich liebe auch das kathartische Gefühl, im abgedunkelten Kino mal so richtig zu weinen und hinter mir ständig das Geschniefe von anderen zu hören. Ja, ich gehe auch aus dem Wunsch ins Kino, eine Katharsis zu durchleben. Dies wird einem relativ selten beschert. Bei Liebe war es der Fall. Die vier Filme, die ich Euch empfehlen möchte, sind sehr unterschiedlich. Ich mochte sie alle. Jeder auf seine Weise hat mich beeindruckt oder mir zumindest beeindruckend viel Spaß gemacht (Nicht mein Tag). Viel Spaß beim Lesen und vielleicht später beim Schauen.
- Hannah Arendt habe ich mir aus drei Gründen angeschaut: Ich liebe die Schauspielerin Barbara Sukowa, ich liebe die Regisseurin Margarethe von Trotta und ich bin fasziniert von der Denkkraft Hannah Arendts. Der Film bringt diese, anders kann man es ja nicht nennen: Frauenpower, so perfekt, so auf den Punkt gebracht zusammen, dass man jede Sekunde einsaugt. Dieser Film wird ganz klar auf der Liste meiner absoluten Lieblingsfilme aller Zeiten landen.
- Liebe hatte ich schon sehr lange zuhause liegen. Ich habe mich immer davor gedrückt, ihn anzuschauen, weil ich wusste, dass er mich auf eine Weise berühren würde, die mich zum Heulen brächte. Dann ist meine Mutter sehr krank geworden und sie und ihr Lebensgefährte hatten vor ihrem Tod für eine recht lange Zeit eine zumindest verwandte Situation zu meistern. Angeschaut habe ich mir den Film dann aber erst nach ihrem Tode, weil ich um meine Mutter trauerte, immer noch trauere, und mich diese Trauer öffnete für alle Themenkomplexe, die mit Tod, mit Krankheit, Sterben, Endlichkeit zu tun haben, aber auch mit Liebe. Tod und Liebe sind nicht voneinander zu trennen. Ich hatte mit meiner Mutter immer eine extrem schwierige Beziehung. Eigentlich war ich mir gar nicht sicher, dass sie mich liebt. Sicher war ich mir aber, dass ich sie nicht besonders liebte. Darüber füllte ich schon Seiten in meinem Tagebuch, als ich erst neun Jahre alt war. Also, dafür hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt. Als ich sie dann wiedersah und verstand, dass sie bald sterben würde, war das alles irrelevant. Ich wollte nur noch so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Wenn wir uns in die Augen schauten, war da nur noch Liebe und ich kann ehrlich sagen, dass ich diese Art von Liebe in meinem Leben gar nicht für möglich gehalten habe, schon gar nicht mit meiner eigenen Mutter. Genau diese Art findet sich in dem Film wider. Deshalb bin ich so froh, ihn gesehen zu haben. Obwohl er mich zum Heulen brachte. Die beiden Darsteller waren ein Geschenk. Und ich möchte es einfach an dieser Stelle einmal sagen, auch wenn es pathetisch klingen mag: einen sterbenden Menschen begleiten zu dürfen, ist auch ein Geschenk. Ich bin dem Schicksal für jede Minute dankbar, die ich mit meiner Mutter noch verbringen durfte. Der Film hat so deutlich gezeigt, wie einsam und allein alternde, sterbende Menschen sind. Er hat auch deutlich gemacht, was die Tochter des Ehepaares verpasst hat, ohne einen Vorwurf zu machen oder Schuld zu verteilen. Denn darum geht es ja gar nicht. Diese beiden Alten waren einsam und doch sehr souverän. Viel souveräner als die Tochter. Es gab Momente, da wollte ich ihr zurufen: Halte Dein Leben an, steig aus, geh zu Deiner Mutter, halte ihre Hand und sei dabei ruhig, sei einfach nur bei ihr. Das ist kein Opfer, sondern wird ein Geschenk sein, das Du vom Leben erhalten kannst, wenn Du bereit bist, es anzunehmen. Auch dieser Film wird auf die Liste meiner absoluten Lieblingsfilme kommen.
- Nicht mein Tag Also, ich gebe zu, ich wäre niemals von mir aus in diesen Film gegangen, schon gar nicht an einem Samstagabend am Potsdamer Platz. Ich gehe nie am Potsdamer Platz ins Kino, höchstens in Sony Center. Aber ich hatte eine Einladung meiner Teenagertochter, ich möchte ergänzen: meiner heiß geliebten und extrem coolen Teenagertochter. Wir gingen also hin, und wie es sich für einen ordentlichen Samstagabend am Potsdamer Platz gehört, bekamen wir nur noch zwei hintereinander liegende Plätze, weil ich erst zwei Wochen später von der Möglichkeit erfuhr, online im Vorfeld Tickets zu kaufen. Wie es sich für echte Rebellen gehört, ignorierten wir die Tatsache der ungünstigen Plätze und setzten uns natürlich nebeneinander (ich möchte anmerken, und ich hoffe, alle Kinobesitzer, alle Cinedom, Cinestar, Cineistmirauchegalbetreiber lesen es, dass ich Platzkarten im Kino sowas von bescheuert finde, dass ich sofort wieder gehen könnte, wenn mich die Kartenverkäufer auf ihren farblich gestaffelten Minibildschirm glotzen lassen, wo ich nie kapiere, wo jetzt die Leinwand ist und wo ich konkret sitzen werde, wenn ich Reihe G Platz 47 wähle, egal!) Natürlich kam mitten im Werbeblock das Ehepaar in meinem Alter, mit toupierten Haaren (er) und zweifarbig colorierter Dauerwelle (sie), die keine Lust hatten, hintereinander zu sitzen, weil "das sind aber unsere Plätze" und vertrieben mich. Ich kletterte also über die Sitze zurück hinter meine Tochter und wurde von den beiden etwa fünf Minuten lang gemaßregelt: "Ja, wo sind wir denn hier, bitteschön?!? Soll ich mich jetzt etwa mit meiner sauberen Hose dahin setzen, wo Du (Achtung: Das Ehepaar in meinem Alter, das wirkte, als könnten beide meine Eltern sein, hatten auch das Gefühl, meine Eltern zu sein. Ich fühlte mich also praktisch ins Alter meiner Tochter zurück versetzt und dafür war ich ihnen irgendwie auch wieder dankbar) gerade Deine dreckigen Schuhe drauf gesetzt hast?" "Ja, wo kommen wir denn dahin?" (Einwurf der Frau!) Ich flegelte ein gekonntes: "Ach, reg Dich ab, Alter!" zurück und schon begann der Vorspann. Ich lag wirklich vor Lachen am Boden. Der Film ist immer dann genau richtig, wenn man leichte Unterhaltung mag/braucht, aber dennoch nicht einem Gefühl gezielter Verblödung ausgesetzt sein möchte. Moritz Bleibtreu mochte ich schon immer, der Trailer ist nicht so gut wie der Film (was ja öfter umgekehrt der Fall ist: der Trailer ist das Beste am Film und komprimiert die circa zwölf guten Szenen). Also, wenn Ihr mal ablachen wollt: guckt ihn Euch an (aber nicht samstags am Potsdamer Platz)
- August: Osage County ist erneut ein Beispiel von geballter Frauenkraft im Film: Meryl Streep, Julia Roberts, Juliette Lewis, Mattie Fae Aiken. Ein wunderbarer Film über den Selbstmord eines Vaters (Sam Shephard, auch ein wirklich großartiger Schauspieler, den ich spätestens seit dem Film Frances liebe), eine an Krebs sterbende, vom Leben zerfressene, bitterböse Mutter, voller Zynismus und Gemeinheit, und deren drei Töchter, die versuchen, am Leben nicht zu scheitern - relativ erfolglos. Das der Beerdigung folgende Essen im Familienkreis wird zu einer Art High Noon zwischen der ältesten Tochter Barbara und der Mutter, aber auch die Männer der Schwestern (Chris Cooper, Ewan McGregor, Dermot Mulroney, Benedict Cumberbatch) der beiden legen keine schlechte Performance vor. Ein Schauspielerfilm, der großartige Leistungen zeigt, aber auch große Gefühle, den nicht reparierbaren Bruch in einem Menschen, daraus folgend in einer ganzen Familie zeigt. Ein Film ohne Happy End, gerade darum so wunderbar. Weil er wie das wirkliche Leben ist und nicht wie Hollywood. Die Darstellerleistungen sind teilweise atemberaubend. Auch dieser Film kommt auf die Liste meiner absoluten Lieblingsfilme.
© Susanne Becker
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