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Corona Tagebuch (9)



Wir waren immer so fragil. Wir haben es nur nicht bemerkt.

Im Wald. Der Spielplatz, der sich mitten im Wald befindet, abgesperrt durch rot-weißes Flatterband und während ich es noch anstarre, fährt ein Polizeiwagen in den Wald und kontrolliert, ob jemand die Regel bricht.
Was ich noch vor kurzem schrecklich gefunden hätte aufgrund der Unfreiheit und Kontrolle, finde ich jetzt aus ganz anderen Gründen schrecklich.
Dass es immer noch Menschen gibt, die denken, ihr persönliches Freiheitsbewusstsein dadurch unter Beweis stellen zu müssen, dass sie es mutwillig riskieren, sich anzustecken und damit die Infektionskette zu beschleunigen. Regelbruch ist gerade selten uncool. Damit zu kokettieren finde ich schrecklich. Das Polizeiauto im Wald, das ich noch vor wenigen Wochen als lächerlichen Affront empfunden hätte, ich wollte den Beamten heute am liebsten aufmunternd zulächeln, damit sie ihren Job nicht hin schmeißen angesichts der Dummheit, die ihnen sicherlich täglich begegnet. Oft genug aggressiv.
Es waren wieder viele Leute unterwegs. Aber diesmal hielten alle Abstand zueinander. Ich sah nur Familien oder Zweiergruppen, viele waren wie ich allein unterwegs. Wenn man sich an einem besonders engen Weg begegnete, trat immer einer sofort beiseite. Die Abstandsregel wurde vorbildlich eingehalten im Plänterwald!

Es kam mir der Gedanke, dass ich den Begriff #socialdistancing eigentlich falsch finde. Denn sozial sollten wir sowas von zusammenrücken, über alle Grenzen und Unterschiedlichkeiten hinweg. Wenn dieser Virus uns eines lehren kann, dann ist es, wie nah wir alle, auf der gesamten Welt, miteinander verbunden sind. Wir sind alle gleich verletzbar und fragil und wenn eine neue Krankheit auftaucht, ist niemand davor sicher.
Also wäre es vielleicht richtiger, das, was gefordert ist #physicaldistancing zu nennen. Wir dürfen uns gerade körperlich nicht zu nahe kommen, aber sozial dürfen wir es, auf allen Kanälen.

Heute hat mir mein Bruder ein Video geschickt. Er und Phil Collins!! Manchmal haben wir wochenlang keinen Kontakt, weil wir jede/r in seinem eigenen Leben total beschäftigt ist. Aber seit letzter Woche reden und tauschen und chatten wir täglich. Das geht mir auch mit anderen so. Mit manchen Leuten hatte ich jahrelang keinen Kontakt, und plötzlich ist es, per Message, so vertraut, als hätten wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen.



Ich hoffe, es hat geklappt, ein Video einzubetten. Ich bin technisch unterbegabt, aber ich wollte Euch dieses Schmuckstück der Musikgeschichte nicht vorenthalten.
Und Euch somit eine weitere Beschäftigung in der Coronakrise zeigen: Videos aufnehmen und  hin- und herschicken.

Diese Zeit erinnert mich daran, dass meine menschlichen Verbindungen es sind, die mich ausmachen und ich schätze sie sehr sehr hoch! Interesssanterweise kann man sie auch leben, ohne sich zu sehen. Was mir ja schon lange bewusst war, weil so viele Menschen, die mir nahe sind, gar nicht in Berlin sondern in der Welt verstreut leben.

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich mir das kostenlose Probeabo bei Amazon Prime geholt habe, um es zu kündigen, bevor es etwas kostet. Oder es ganz kurz zu behalten, falls die Coronakrise länger als vier Wochen dauert (Scherz! Sie wird natürlich länger dauern, aber ich hol mir dann das kostenlose Netflix Probeabo :-)  Deshalb muss ich jetzt mehr glotzen, als es normalerweise meine Art ist. Mit der Tochter arbeiten wir uns gerade durch die Klassiker, vor allem mit Audrey Hepburn. Charade war ein unglaublich guter Film. Sehr empfehlenswert. Ich hatte ihn vor gefühlt 123 Jahren auf dem Sofa meiner Großeltern schonmal gesehen, an einem verregneten Sonntagnachmittag. Aber ich konnte mich im Grunde an nichts erinnern. Wie neu. Tiptop anzuschauen und beeindruckend, wie cool und intelligent die Story ist und Audrey und Cary Grant, ein Traum!! Sie waren beide wirklich extrem gute SchauspielerInnen.



Dann schaue ich gerade noch die Serie Modern Love. Liebesgeschichten inspiriert durch wahre Geschichten aus der New York Times, ich glaube Leserbriefsektion. Tolle SchauspielerInnen wie Andy Garcia, Ann Hathaway, Tina Fey. Sehr schöne kleine Filme, intelligent, extrem gut gemacht und, naja, wenn es von Liebe handelt, kann es ja auch nicht ganz schlecht sein.
Ich hoffe, Ihr könnt die Trailer alle anschauen.

Lesen tue ich immer noch Verzeichnis einiger Verluste, aber auch Im Heimweh ist ein blauer Saal. Ein Collagenbuch von Herta Müller, das mich sehr inspiriert.

Wer eine selbst gemachte Postkarte von mir möchte, schickt mir Eure Adresse. Sie wird so ein bisschen sein wie die Collagen von Frau Herta.

Ragazzi, loved ones, Freunde, companeras, may the force be with you 💪. Bleibt gesund. 💙

(c) Susanne Becker

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