Direkt zum Hauptbereich

Nullzeit

Ich liebe Juli Zeh. Für mich ist sie eine der besten deutschen Schriftstellerinnen, die es momentan gibt (natürlich kenne ich weniger als die Hälfte von denen). Also sagen wir: Für mich ist sie eine der besten deutschen Schriftstellerinnen, von denen ich weiß, dass es sie gibt!
Unter meinen Alltime favourite Books for a lifetime sind mindestens zwei, möglicherweise drei von ihr: Adler und Engel, Die Stille ist ein Geräusch (das ist so ein Titel, der ist einfach genial und ich wäre gerne selbst drauf gekommen - zu spät) und auf jeden Fall Spieltrieb.
Achtung Werbeblock: Alle Bücher kaufe ich übrigens immer in meinem absoluten Lieblingsbuchladen hier in Kreuzberg Ebert und Weber. Die Besitzerinnen sind im Laufe meiner häufigen Besuche dort zu Freundinnen geworden. Wenn ich den Laden betrete, lasse ich neuerdings immer mein Portemonaie zuhause, vorsichtshalber, denn ich könnte problemlos bei jedem Besuch mein gesamtes Monatsgehalt dort in Büchern anlegen. Sie haben, und das ist bei Buchhändlerinnen eben nur bedingt von Vorteil, den gleichen Geschmack in Büchern wie ich, außerdem haben sie sehr viele amerikanische und englische Literatur im Original. Also nur bedingt ein Vorteil, im Grunde Versuchung pur. Wer aber jemals in Kreuzberg ist, dem kann ich nur empfehlen, reinzugehen.
Zurück zu Juli Zeh, Entschuldigung, ich bin vom Thema abgewichen: Was ich an Juli Zeh liebe, ist die Kühnheit ihrer Geschichtswürfe. Der Bogen, den sie spannt, reicht präzise ins Ungewöhnliche, ins menschlich noch lange nicht zu Ende durchdrungene und die Charaktere sind dabei Menschen, die man zwar zu kennen glaubt, obwohl ich persönlich sie nicht unbedingt immer kennen möchte. Völlig verrückt und/oder abgedreht dringen sie in Sphären vor, in die ich nur als Leserin möchte, weil ich weiß, dass ich sie in der Realität nicht aushalten könnte. Manchmal möchte ich im Grunde auch lesend nicht dorthin. Juli Zehs Universen sind nicht wirklich freundlich. Daher finde ich sie mutig. Sie muss es beim Schreiben ziemlich lange in diesen Universen aushalten. Sie muss sich hinein denken in diese schrägen Charaktere und mit ihnen leben. Ich finde sie auch darin mutig, wie sie ihre Geschichten enden lässt. Spieltrieb fand ich beispielsweise eine der schönsten und mutigsten Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe.
Auch ihre Sprache ist wunderbar, und irgendwie in jedem Buch anders.
Also habe ich natürlich Nullzeit gelesen, sobald ich es in die Finger bekommen konnte. Zu meiner Überraschung ging es ganz schnell, dass ich merkte, Nullzeit funktioniert bei mir nicht. Klar ist es ein routinierter Zeh. Klar ist es kein schlechtes Buch. Wie immer gut geschrieben, mit schrägen Charakteren, einer ausgetüftelten Handlung an einem interessanten Ort. Aber genau darin lag für mich der Downer. Das Gefühl, ein Produkt zu lesen, das mit Kalkül produziert worden war, ließ mich das ganze Buch über nicht los. Die Charaktere hatten für mich etwas von Schablonen und die Handlung war mir zu konstruiert. Ich war nicht berührt.
Spannend war es trotzdem,  das muss ich dem Buch lassen. Die ganze Zeit über wartete ich auf das Drama, das unausweichlich auf die Protagonisten und den Leser zurollte. Unbedingt musste ich wissen, ob jemand umgebracht werden würde und wenn ja, von wem.  Fazit: Ich hätte das Buch nicht unbeendet aus der Hand legen können. Aber im Grunde hätte ich es gar nicht erst lesen müssen. Das liegt insofern an mir, weil ich immer nach Büchern suche, die mich berühren. Dieses Buch hat mich nicht berührt und nachdem ich es beendet hatte, klang auch nichts mehr davon in mir nach.

überarbeitet am 17.1.2013


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

100 bemerkenswerte Bücher - Die New York Times Liste 2013

Die Zeit der Buchlisten ist wieder angebrochen und ich bin wirklich froh darüber, weil, wenn ich die mittlerweile 45 Bücher gelesen habe, die sich um mein Bett herum und in meinem Flur stapeln, Hallo?, dann weiß ich echt nicht, was ich als nächstes lesen soll. Also ist es gut, sich zu informieren und vorzubereiten. Außerdem sind die Bücher nicht die gleichen Bücher, die ich im letzten Jahr hier  erwähnt hatte. Manche sind die gleichen, aber zehn davon habe ich gelesen, ich habe auch andere gelesen (da fällt mir ein, dass ich in den nächsten Tagen, wenn ich dazu komme, ja mal eine Liste der Bücher erstellen könnte, die ich 2013 gelesen habe, man kann ja mal angeben, das tun andere auch, manche richtig oft, ständig, so dass es unangenehm wird und wenn es bei mir irgendwann so ist, möchte ich nicht, dass Ihr es mir sagt, o.k.?),  und natürlich sind neue hinzugekommen. Ich habe Freunde, die mir Bücher unaufgefordert schicken, schenken oder leihen. Ich habe Freunde, die mir Bücher aufgeford

Und keiner spricht darüber von Patricia Lockwood

"There is still a real life to be lived, there are still real things to be done." No one is ever talking about this von Patricia Lockwood wird unter dem Namen:  Und keiner spricht darüber, übersetzt von Anne-Kristin Mittag , die auch die Übersetzerin von Ocean Vuong ist, am 8. März 2022 bei btb erscheinen. Gestern tauchte es in meiner Liste der Favoriten 2021 auf, aber ich möchte mehr darüber sagen. Denn es ist für mich das beste Buch, das ich im vergangenen Jahr gelesen habe und es ist mir nur durch Zufall in die Finger gefallen, als ich im Ebert und Weber Buchladen  meines Vertrauens nach Büchern suchte, die ich meiner Tochter schenken könnte. Das Cover sprach mich an. Die Buchhändlerin empfahl es. So simpel ist es manchmal. Dann natürlich dieser Satz, gleich auf der ersten Seite:  "Why did the portal feel so private, when you only entered it when you needed to be everywhere?" Dieser Widerspruch, dass die Leute sich nackig machen im Netz, das im Buch immer &q

Writing at the Fundacion Valparaiso in Mojacar, Spain

„…and you too have come into the world to do this, to go easy, to be filled with light, and to shine.“ Mary Oliver I am home from my first writing residency with other artists. In Herekeke , three years ago, I was alone with Miss Lilly and my endlessly talkative mind. There were also the mesa, the sunsets, the New Mexico sky, the silence and wonderful Peggy Chan, who came by once a day. She offers this perfect place for artists, and I will be forever grateful to her. The conversations we had, resonate until today within me. It was the most fantastic time, I was given there, and the more my time in Spain approached, I pondered second thoughts: Should I go? Could I have a time like in Herekeke somewhere else, with other people? It seemed unlikely. When I left the airport in Almeria with my rental car, I was stunned to find, that the andalusian landscape is so much like New Mexico. Even better, because, it has an ocean too. I drove to Mojacar and to the FundacionValparaiso